Reisen & Begegnungen

Kategorie: Politik Seite 5 von 9

Lester Thurow, der soziale Globalist

Photo by Hasso von Bülow

Düsseldorf, den 27. April 1993

Ich hole Lester vom Flughafen ab. Er ist etwas wortkarg nach dem langen Transatlantikflug. Am nächsten Tag werde ich einen Vortrag von ihm moderieren, im Düsseldorfer Messezentrum.

Lester Thurow eilt der Ruf voraus, er sei ein Volkswirt, der überaus anschaulich und gründlich zu formulieren vermag. Er durfte den feinen und flüssigen Kommentar in besten Kreisen üben und pflegen. Über 10 Jahre lang schrieb er eine Kolumne für Newsweek und für die New York Times. Diese Elitemedien gelten als harte Schule, dies schützt vor intellektuellem Überflug.

Dann fahre ich Lester ins Hotel. Er ist ein sympathischer, natürlicher Typ. Ein Professor, dessen Arm und Einfluss weit über das akademische Terrain hinaus reicht, und der trotzdem nicht viel Aufhebens um seine Person macht. Da sitzt in meinem Auto ein ruhiger und zurückhaltender Mann, dem man gerne zuhört.

Thurow, Jahrgang 1938, war viele Jahre

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Der kleine Mann und die breiten Schultern

Wahlkampf an Rhein und Ruhr. Und wieder Dutzende mehr oder weniger kluge Plakate und Äußerungen, die erklären oder verschleiern sollen, warum NRW wirtschaftlich so abgehängt scheint.

In solchen Wahlkampfreden ist viel von dem kleinen Mann die Rede. Ja, manchmal gewinnt man den Eindruck, insbesondere wenn man linken und grünen Politikern zuhört, Nordrhein-Westfalen werde überwiegend bevölkert von diesem kleinen Mann. Gar eine ganze Partei hat sich auf ihn ausgerichtet, denn die SPD ist per definitionem die Partei des kleinen Mannes.

Jedoch ist dieser kleine Mann ein seltsames Phänomen. Sprachlich jedenfalls, und nur darum geht es. Denn es gibt nur

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Baden-Württemberg kann alles, besonders Zukunft

Anfang der 90er Jahre, da war Baden-Württemberg wirtschaflich das führende Bundesland in Deutschland. Der Aufschwung Bayerns unter Franz Josef Strauss und Max Streibl zeigte erste Knospen, jedoch das Ländle zwischen Odenwald und Bodensee blieb in puncto Wettbewerbsfähigkeit das Maß aller Dinge in Deutschland.

Die großen Industrie-Giganten wie Daimler-Benz, Bosch oder SAP trieben den Wohlstand und auch von dem breiten Mittelstand und den vielen Hidden Champions ging eine enorme Wirtschaftskraft aus.

Im Jahr 1994 erhielt ich die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Wirtschaftswunderlandes zu schauen. Ich wurde von der Landesregierung in eine Expertengruppe des Innovationsbeirates berufen. Das Thema unserer sechsköpfigen Gruppe fokussierte sich auf die Themen Distance Learning, Teleworking, Road Traffic Management und Health & Care Networks.

Ministerpräsident Erwin Teufel hatte den Innovationsbeirat berufen, der Konzepte für die Weiterentwicklung und nachhaltige Modernisierung der Industriestruktur schaffen sollte. Die Gruppen arbeiteten autonom, wurden aber im Wirtschaftsministerium koordiniert.

Während dieser Zeit in Stuttgart lernte ich

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Rudi Dutschke schreibt eine Postkarte

Arhus/Dänemark, im März 1979

Wer 1955 geboren wird und dann auch noch in dem Idyll der Provinz aufwächst, der kann schwerlich zur 68er Bewegung gehören. Da ist alleine schon die Gnade der späten Geburt vor. Als ich Mitte der 70er Jahre an die Universität komme, da ist die unruhige Zeit schon vorbei und von ein paar vereinzelten akademischen Scharmützel abgesehen, zeigt sich meine Studentengeneration ruhig und angepasst.

Trotzdem merke ich, dass diese 68er-Bewegung historisch bedeutsames geleistet hat. Da ist ja nicht nur das Aufbäumen der Studenten gegen den Muff in den Talaren, sondern auch das Einfordern der Jungen nach mehr Teilhabe, nach Öffnung und auch nach Aufrichtigkeit.

Während die Elterngeneration nach den dunklen Jahren ihre Erfüllung darin findet, die düstere Zeit zu verdrängen und aus dem physisch und moralisch zerbombten Deutschland ein Wirtschaftswunderland zu schaffen, stellt die 68er-Studentengeneration endlich die

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Sauce hollandaise

François Hollande, ein Jurist aus Rouen, heißt der Kandidat der Parti Socialiste für die Präsidentschaftswahl im April 2012. Zunächst ein Verlegenheitskandidat, Favorit Dominque Strauss-Kahn war aus bekannten Gründen nicht abkömmlich, stehen die Chancen von Monsieur Hollande gut, nächster Präsident der Grande Nation zu werden.

In den Umfragen jedenfalls führt er vor Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Mit dem Mann ist also zu rechnen. Nun hat Hollande einen Heißluftballon steigen lassen.

Er will als Präsident den Spitzensteuersatz seines Landes auf 75 Prozent anheben, für Einkommen über eine Million Euro. 75 Prozent. Kann man machen. Wäre nur 100 Prozent Blödheit. Alles Quatsch mit Soße.

Aber es wäre nicht nur eine Dummheit, es wäre fatal. Denn ein Spitzensteuersatz von 75 Prozent würde jeden unternehmerischen Ehrgeiz und damit jede wirtschaftliche Dynamik von Grund auf zerstören.

Ein Beispiel aus einem Bereich, in dem ich mich ein wenig auskenne. Ein

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Die Tagebücher der Eitelkeit und Gier

Packende Lektüre am Wochenende: Selling Hitler von Robert Harris. In diesem Buch zeichnet der englische Thriller-Autor überaus spannend die Historie der Hitler-Tagebücher nach.

Robert Harris, dessen politischen Thriller Ghost ich genossen habe, kann schreiben wie kein zweiter: kluger Aufbau, verschiedene Spannungsebenen, richtiges Timing, Präzision im jedem einzelnen Satz. Die schreiberische Qualität ist hoch, das ganze Werk ist genau recherchiert, man wird vom Thema gefesselt.

Die Nerven des Lesers werden routiniert gekitzelt, so dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann. Aber die Geschichte um den Reporter Gerd Heidemann und den Fälscher Konrad Kujau macht es Robert Harris auch nicht gerade schwer.

Auf über 380 Seiten schreibt Harris wie ein solcher Skandal entstehen konnte und wie der Kauf der vermeintlichen Tagebücher schließlich so aus dem Ruder laufen konnte. Wie es denn sein konnte, dass ein gewitzter Reporter wie Gerd Heidemann sich so in diese dubiose Sache hineinziehen ließ, wieso die Journalisten und Manager bei Gruner + Jahr, dem Verlagshaus des stern, auf solch eine Räuberpistole haben hereinfallen können.

Aber nicht nur sie. Als man

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Pappkamerad Karl

Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Beim aufmerksamen Gang durch die Stadt fällt eines auf. An vielen Ecken wird die DDR verhätschelt und verniedlicht. Anstatt sich mit der Diktatur der SED auseinanderzusetzen, ziehen viele Menschen es vor, die kommunistische Willkür als eine mehr oder weniger knuffige und drollige Fussnote der deutschen Geschichte zu verharmlosen.

Vor dem Brandenburger Tor stehen Komparsen in DDR-Uniform, die Touristen für zwei Euro eins auf die Mütze geben. Auf den Flohmärkten findet man hübsche Orden und bunte Epauletten kommunistischer Provenienz, in den Buchhandlungen stehen die Werke mit den Spruchbeuteln der Ideologen, ganz so, als würde man über das antike Griechenland reden.

In der Ecke eines Geschäftes wurde ein alter Trabi hingestellt, in den man sich setzten darf, um heiter klassenloses Autofahren zu spielen und im Souvenirladen steht Oberdenker Karl als Pappkamerad oder Gipsbüste. Karl Marx. Gips. 21 Euro.

Diese Geschichtsklitterung ist gefährlich: Aus einem

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Das Berliner Olympiastadion macht keine Freude

Berlin, in Februar 2012, Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Es ist das Fußballstadion der deutschen Hauptstadt. Das Berliner Olympiastadion. Dies ist ein Ort, an dem Spass und Ausgelassenheit regieren sollten.

Und doch habe ich ein Problem mit diesem Olympiastadion. Ich war da. Jedoch ein anderer auch. Man merkt es. Der Mann lastet auf diesem Ort.

Man bemerkt diesen Mann an der Architektur des Stadions. Ich kenne die Bauart. Aus Russland, aus der DDR, aus China. Wuchtige Klötze, gerade Linien, strenge Formen. Keine Schnörkel, nichts Verspieltes, keine Lebensfreude. Der Beton ist stark, der Mensch ist ein nichts.

Das war die Botschaft dieses Mannes. Hier im Stadion hat er seine Wahnideen und seine Mordtaten gefeiert. Deshalb mag bei mir keine rechte Freude aufkommen, an diesem Ort, selbst 70 Jahre später.

Dass man die diktatorischen Linien mit

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Das neue Wahrzeichen der neuen Metropole

Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Die Kuppel des Reichstags. Wie ein runder, spitzer Hut sitzt die Kuppel auf dem alten Reichstag.

Unten Renaissance, oben Modernität. Unten all das Elend der deutschen Geschichte, die bigotten Kaiser, der Reichstagsbrand, der braune Terror. Oben das neue Deutschland, nach Diktatur braun und rot.

Ein futuristisches Bauwerk – und doch irgendwie in deutscher Tradition. Manches scheint man irgendwo schon gesehen zu haben. In dem futuristischen Stummfilm von Fritz Lang beispielsweise, in Metropolis aus dem Jahr 1927. Hier in Berlin Babelsberg gedreht.

Die Kuppel aus Glas und Spiegeln, das neue Wahrzeichen der neuen Metropole. Der Sieg des Neuen über das Alte, aber irgendwie doch kein Bruch und keine Abrechnung.

Der Blick geht Richtung Himmel, nach oben, ein Wahrzeichen, das über Berlin thront. Aus dem Dach des wuchtigen Reichstags ragt diese Kuppel von 24 Metern. Ein Stahlskelett, dessen Rippen sich wie eine

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Mahnmal des Unvorstellbaren

Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Holocaust. Die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Die grausamste Politik, die sich nur denken lässt in der jüngeren Geschichte der Menschheit. Es gilt nicht zu vergessen.

Doch wie kann man die Erinnerung an das Unvorstellbare, an das Nichtbegreifbare wach halten? Das Monument des New Yorker Peter Eisenman, auf 19.000 Quadratmeter, versucht hierauf eine Antwort.

Seit 2005 steht das Monument, unweit des Brandenburger Tors. Ein Mahnmal, inmitten in der Stadt, von der das Verbrechen ausging. Die Ausrottung der Juden in Deutschland und Europa in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Das Verbrechen, unbegreiflich: Der Wahn von Wahnsinnigen.

Quader an Quader. Grau an grau. Ein Labyrinth aus Beton. Steinblock an Steinblock. Manche flach wie der Boden, andere bis zu fünf Metern hoch. Dazwischen Gassen, eng und massiv, die einen zu erdrücken scheinen.

Das Holocaust-Mahnmal ist in seiner Nüchternheit, auch in seiner Bedrängnis, ein Monument, das einschüchtert. Wie ein

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