Die Komposition You’re so right findet der Hörer auf dem Album Ol‘ Blue Eyes is Back. Ein hübsches Lied! Und dennoch fristet dieser Song sein Schicksal als Mauerblümchen im Repertoire des Frank Sinatra, klein und adrett, allerdings kaum beachtet. Auf YouTube wird die Einspielung keine 100.000 mal abgerufen, normalerweise schlägt Sinatra hier bei den Millionen aus.
Völlig zu unrecht steht You’re so right so krass im Abseits. Denn Song und das gesamte Album sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswert. Zunächst: Mit diesem Reprise-Album kehrt Frank Sinatra nach zweijähriger Abstinenz im Oktober 1973 ins Rampenlicht zurück. Das Leben eines Privatiers ist nicht so ganz sein Ding.
Als Komponist von You’re so right zeichnet Roger Joyce, Teddy Randazzo und Victoria Pike sind Texter, die drei bilden ein eingespieltes Team, vielleicht ist die gesamte Komposition ein Gemeinschaftswerk. Als Arrangeur wird Gordon Jenkins verpflichtet, es ist ein Glücksgriff, Produzent wird der geniale Don Costa. Es ist ein Wahnsinns-Team. Frank Sinatra hat immer die Besten in seine Mannschaft geholt, zumal er stets über das nötige Kleingeld verfügte, die Besten auch unter Vertrag zu nehmen.
Auch der Titel passt: Ol’ Blue Eyes Is Back. Sinatra befindet sich auf der Suche. Längst haben die wilden Rock- und Pop-Musikanten das Zepter im Business übernommen, verloren hechelt er ein wenig hinterher. Quo vadis, Frank?, diese Frage stellt der 58-Jährige sich mit Bangen. Klugerweise entscheidet sich der Crooner für
Al cielo una mirada larga buscando un poco de mi vida. Mis estrellas no responden para alumbrarme hacia tu risa. Olas que esfuman de mis ojos a una legión de tus recuerdos. Me roban formas de tu rostro dejando arena en el silencio.
Ein langer Blick zum Himmel, ich suche ein Stück meines Lebens. Meine Sterne antworten nicht, um dein Lachen zu erhellen. Augen entschwinden in Wellen Heerscharen von Erinnerungen. Stehlen Umriss deines Gesichts lassen den Sand in der Stille.
Te busco ist kein typisches Lied für Celia Cruz. Eigentlich bevorzugt die Exil-Kubanerin die schnellen Tempi, krachende Bläser, rhythmischer Stil. Das Lied Te busco ist da ganz anders. Diese Komposition musste eine Weile durch die Welt wandern, erst als Celia Cruz sie in die Hand bekommt, wird sie zu Gold.
Der Musikproduzent Oscar Gómez sucht noch ein Lied für das neue Album von Celia Cruz. Die Idee des Albums ist, Celia Cruz von einer anderen Seite zu zeigen, als Sängerin von romantischen Boleros. Er erinnert sich an eine Komposition von Victor Victor, eine Bachata namens Te busco. Oscar spielt den Song der kubanischen Sängerin vor, er gefällt ihr, und verhandelt mit dem Dominikaner die Rechte für das Album Azúcar Negra.
Das Lied wird zu einem spektakulären Erfolg, auch heute noch. Auf Youtube wird es 35 Millionen mal angesehen und mit über 5.000 Kommentaren versehen. Die Komposition handelt von der Sehnsucht nach einem Menschen, der gegangen ist und den man über alles vermisst. Meist geht es in den Anmerkungen der Hörer um Menschen, die einen anderen geliebten Menschen verloren haben und die nun nicht hin wissen mit ihrer Verzweiflung.
Die Tochter trauert um die Mutter, der Sohn um den Vater, Enkel um die Großeltern. Sie alle finden Zuspruch in den Zeilen, die Victor Victor aus der Dominikanischen Republik zu Papier gebracht hat. Das Lied vereint Trauer und Hoffnung. Immer wenn ich einen geliebten Menschen verliere, höre ich mir dieses Lied an, verrät jemand in seinem Kommentar, es ist meine Hymne des Abschieds. Und des Trostes.
Celia Cruz ist eine der prominentesten Repräsentanten der kubanischen Musik des 20. Jahrhunderts gewesen. In einer mehr als 60 Jahre umfassenden Karriere nimmt sie mehr als 70 Alben auf. Sie gilt als La reina de la salsa, als Königin der Salsa-Musik, und darüber hinaus wirkt sie als Ikone verschiedener sozialer Bewegungen. Die temperamentvolle Sängerin trägt den Spitznamen Azúcar (Zucker), einen zum Salsa-Kult gewordenen Ausruf.
Te busco und Celia Cruz, das sind zwei Solitäre, die sich gesucht und gefunden haben. Die Einspielung gelingt sensationell: Diesen langsamen Bolero füllt die Kubanerin mit ihrer Alt-Stimme voll aus, wobei sie, wie bei anderen Liedern auch, das R so wunderbar ausrollen kann, bei den Worten rrrecordar und rrrebuscar. Doch hinter all der Heiterkeit verbirgt sich eine tragische Biografie, es passt irgendwie zum Bolero.
Auch wenn Celia Cruz in New York angekommen ist, so teilt sie doch das Schicksal vieler Exilanten. Die Sehnsucht nach der Heimat will das Herz zerreißen, ihre Lieder dienen als Blitzableiter. Ohne dass sie es vorhat, wird Celia zur Symbolfigur der Vertriebenen, zur Stimme gegen die Herrschaft der Castro-Brüder. Auch in der Fremde schmettert die Sängerin aus Havanna unzählige kubanische Kompositionen, um der alten Heimat, der Welt und vor allen sich selbst zu beweisen, dass sie Kuba nicht vergessen hat.
Als Celia Cruz am 16. Juli 2003 in Fort Lee, New Jersey, stirbt, macht die New York Daily News auf der Titelseite ein einziges Thema auf. Azúcar tot. Eines ihrer letzten Soloalben heißt Siempre Viviré – ich werde immer leben. Mit diesem Album aus dem Jahr 2000 nimmt sie endgültig Abschied von ihrer Heimat. Das Lied Por si Acaso no Regreso – Falls ich nicht zurückkehren sollte – ist das emotionale Testament der Sängerin. Ihren Landsleuten stehen die Tränen in den Augen, Azúcar wird ihr geliebtes Havanna nicht wiedersehen.
Te busco perdida entre sueños el ruido de la gente me envuelven en un velo. Te busco volando en el cielo el viento te ha llevado como un pañuelo viejo.
Ich suche Dich in den Träumen Das Getöse der Menschen manteln mich in einem Schleier. Ich suche fliegend im Himmel der Wind hat dich genommen wie ein altes Taschentuch.
Der Begriff Studierende ist lustig. Weil der zukünftigen Elite eigentlich bewusst sein müsste, dass der Gebrauch dieser grammatikalischen Form ein ziemlicher Humbug ist. Er ist kein Deutsch. Kramen wir unser Grammatikwissen aus der Schule hervor. Die Form studierend nennen wir Partizip. Hier ist es ein Partizip Präsens. Früher haben wir auch Mittelwort dazu gesagt, weil diese Bildung eine Zwischenstufe darstellt zwischen Verb und Adjektiv. Halten wir fest: Studierend ist das Partizip zum Verb studieren.
Jedenfalls darf ein Partizip nicht wie ein Substantiv verwendet werden. Denn der Witz ist der, dass ein Partizip eine laufende Tätigkeit festhält. Ein Autofahrer fährt Auto. Wenn er autofahrend ist, sitzt er in seinem Wagen. Ein Autofahrender, der im Zug nach München sitzt, macht keinen Sinn. Ein schlafender Student, das geht. Denn das ist ein Student, der schläft. Aber ein schlafender Studierender? Warum nicht gleich ein studierender Schlafender? Wir müssen aufpassen, dass aus Gender irgendwann nicht Gaga wird.
Sei’s drum. Es ist halt modern und modisch. Aber, so will ich als Altmodischer kurz fragen, wo soll der sprachliche Unsinn mit dem gebrochenen Partizip bloss aufhören? Bei Trommler*innen, der/die zu Trommelnden werden, bei Fussballer*innen, der/die zu Fussballernden werden. Wir sehen, das Partizip hilft uns nicht wirklich aus der Gender-Bredouille. Schon Goethe wusste: Die Studierenden sitzen im Hörsaal, die Studenten in Auerbachs Keller.
Ob die verbissene Diskussion in Deutschland übers Gendern oder den Gender*stern nun Ausdruck von Hochintelligenz oder Hochdekadenz sein mag, darüber mag sich ein jeder sein eigenes Urteil bilden. Jedoch sollten die Diskutanten soviel Wissen mitbringen, um den Unterschied zwischen dem grammatikalischen und dem wirklichen Geschlecht zu kennen.
Denn es gibt im Deutschen eine Vielzahl von männlichen Begriffen, die auf ihre Femininisierung warten: der Gangster, der Spitzbube. Daneben existieren weibliche Begriffe, die auf Maskulinisierung warten, zum Beispiel die Heulsuse oder die Kratzbürste. Oder doch nicht? An dieser Stelle soll der Unterschied zwischen generischem und biologischen Geschlecht erklärt werden.
Ein generisches Maskulinum (etwa der Gast, der Feigling) oder ein generisches Femininum (etwa die Person, die Geisel) und ein generisches Neutrum (etwa das Opfer, das Mitglied), es handelt sich um rein sprachliche Kategorien. Es können sowohl Männer, als auch Frauen gemeint sein. Das generische Geschlecht gilt es, vom biologischen Geschlecht zu trennen, genus und sexus können sich unterscheiden. Das Verwenden dieser Formen ist keine Diskriminierung biologischer Geschlechter.
Das Sprach-Jakobinertum ist eine seltsame Ideologie, die das Land spaltet, statt es zusammen zu führen. Zudem wird
In der Clemensstrasse in Schwabing findet Ret Marut Unterkunft. Foto: W. Stock, Mai 2021.
Die Clemensstrasse 84, ein viergeschossiges Haus mitten in München, ist die ehemalige Adresse eines Großen der deutschen Literatur. Auf dem dritten Stockwerk, in einer 3-Zimmer-Wohnung, hat der Schriftsteller Ret Marut von 1915 bis 1919 gewohnt und gearbeitet. Dieser rätselhafte Ret Marut, es ist ein Pseudonym, zeichnet in jenen Jahren als Verleger und Hauptautor einer sozial-radikalen Zeitschrift mit dem Titel Der Ziegelbrenner. Von Düsseldorf kommend hat sich Ret Marut, von Beruf Schauspieler und Autor, in der Clemensstrasse eingemietet.
Die Polizeidirektion München verfasst mit Datum 19. 11. 1917 ein Dossier über die suspekte Person: Marut, Ret, geb. 25. Februar 1882 in San Franzisko, amerikanischer Staatsangehöriger, Schauspieler, Schriftsteller, ist seit 3. 7. 1917 hier im Aufenthalt und z. Zt. Clemensstrasse 84/3, in Wohnung gemeldet. Was die Polizei allerdings nicht weiß: Der Name ist falsch, die Nationalität ebenfalls, der Geburtsort ist frei erfunden. So gut wie alle Angaben, die Ret Marut den Behörden mitteilt, sind geschwindelt und gelogen.
Clemensstrasse 84 in München-Schwabing. Foto: W. Stock, Mai 2021.
An Ret Marut erinnert heute eine Gedenktafel am Wohnhaus in der Clemensstraße 84 in Schwabing. Seine Stieftochter Malú Montes de Oca Luján ist im Mai 2019 eigens zur Enthüllung aus Mexiko nach Deutschland gekommen, tatkräftig unterstützt von der Internationalen B. Traven Gesellschaft. Es ist vor allem das Verdienst der beiden Stieftöchter und deren Ehemänner, die in Vorträgen und auf Internet-Portalen das Andenken an den Schriftsteller wach halten.
In der Parallelstrasse, der Herzogstrasse mit der Hausnummer 45, wohnt in jenen Jahren Irene Mermet, Maruts Lebensgefährtin und zugleich seine Verlegerin. Das Haus gibt es nicht mehr, es wurde schon vor Jahrzehnten abgerissen. Als Tochter eines Kölner Kohlehändlers besitzt Irene Mermet finanzielle Mittel, mit deren Hilfe sie die Publikationen ihres Freundes unterstützt.
Nach Kriegsende und Proklamation der Münchner Räterepublik am 7. April 1919 arbeitet Ret Marut als
John Naisbitt und Wolfgang Stock, Velden am Wörthersee, im September 2016.
In memoriam: John Naisbitt (1929 – 2021)
Er war der Pionier aller modernen Trendforscher, er hat ein ganzes Genre begründet. John Naisbitts Bücher sind in 57 Sprachen übersetzt, allein sein Bestseller Megatrends aus dem Jahr 1982 hat sich weltweit über 14 Millionen Mal verkauft. Bei ECON hatte ich die Ehre, seine Bücher Megatrends 2000, Megatrends for Women und Global Paradox zu verlegen. Seitdem sind wir gut befreundet.
Den Begriff Megatrend hat er erfunden, ebenso wie er im gleichnamigen Buch den Terminus Globalisierung populär gemacht hat. John Naisbitt gehörte keiner ideologischen Denkrichtung an, er sah die Welt undogmatisch mit gesundem Menschenverstand, radikal von der Mitte aus, wie der Amerikaner aus Utah stets betonte.
John war offen und neugierig. Er fragte, er ergründete. Wenn er eine Sache begreifen wollte, dann über
Vicente Fernández ist weit mehr als ein mexikanischer Sänger. Er singt Música Ranchera in der Tradition von Pedro Infante und Jorge Negrete, diese ländlichen Kompositionen der Viehranches und Haciendas gelten als die mexikanischste Variante aller mexikanischen Musikstile.
Zugleich ist der 81-Jährige ein bekannter Schauspieler und Produzent, dazu ein umtriebiger Gutsbesitzer und Pferdezüchter in Jalisco. Alles in allem wird Vicente Fernández von seinen Landsleuten als ein Symbol des mexikanischen Nationalstolzes verehrt, er ist einer der populärsten Mexikaner überhaupt.
Und einmal hat dieser Vicente Fernández seinen ebenso berühmten amerikanischen Kollegen Tony Bennett – beide in Ehren ergraut – auf seine Ranch Los Tres Potrillos in den Süden von Guadalajara eingeladen. Man mag bei dieser Gelegenheit erahnen, wie gut und wie schön und wie menschlich die Freundschaft zwischen den USA und Mexiko doch sein kann.
Dann vergisst man die Narcos, the mexican wall, los mojados und die Trumps, sondern denkt nur noch wie wunderbar und fruchtbar es der Musik doch gelingt, zwei ferne Seelen zu verbinden.
Regresa a mi No me dejes tan solo No me vuelvas la cara después De que todo te di
Return to me For my heart wants you only Hurry home, hurry home Won’t you, please, hurry home to my heart?
Es zählt weder das Haus, noch der Hof, denn die Heimat vermag man nur im Herzen zu finden. Und warum sollte man um sein Herz eine Mauer ziehen? Auch der Zuhörer dieser weisen Zeilen will sich – wie die beiden Barden – mit der Faust an das Herz schlagen.
Es gibt Songs, die Frank Sinatra höchst selten aus den Tiefen seines Repertoires hervorkramt. Dies ist eine von diesen musikalischen Raritäten. I will drink the wine. Eine Komposition, die in vielerlei Hinsicht bemerkenswert scheint.
Musik und Text stammen von dem Briten Paul Ryan, einem Komponisten und Musiker des Jahrgangs 1948. Er war der Zwillingsbruder von Barry Ryan, der im Popgeschäft der späten 1960er eine große Nummer gewesen ist. So komponierte Paul für seinen Bruder den Welthit Eloise.
Auch Frank Sinatra hat eine Komposition von Paul Ryan aufgegriffen. I will drink the wine, wir schreiben die frühen 1970er Jahre, der Crooner, mit neuem Haupthaar, will sich auf eine Pop-Generation im Beatles-Fieber zubewegen. Der fabulöse Don Costa, mit feinem Gespür für den Zeitgeist, schreibt ihm ein perfektes Arrangement auf den Leib. Das Lied findet sich auf der Platte Sinatra & Company von 1970.
Neben allerlei Brasilianischem fällt auf der gleichen Einspielung ein weiteres Lied auf, Leaving on a Jet Plane, ein netter Song aus der Feder von John Denver. Doch Sinatra gelingt es, die Melodie dieses eigentlich recht harmlosen Pop-Liedchens gänsehaut-gerecht herüber zu bringen.
I will drink the wine handelt im Text vom Selbstbewusstsein eines Mannes, auch andere Wege einzuschlagen und sich nicht
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