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Kategorie: San Francisco

Die Stanford University schafft Studiengebühren ab – für Arme

Kein feines Café, sondern eine Arbeitsecke der Stanford University. Photo by W. Stock, im Jahr 2005.

Die Stanford University muss man sich in etwa so vorstellen: das innovativste und kreativste Bildungsangebot der Welt, und dies in einer Umgebung, die an das süße Leben in den Tropen erinnert. Solch ein Luxus – edukativ als auch ambiental – hat natürlich seinen Preis. Die Universität, eine halbe Stunde südlich von San Francisco bei Palo Alto gelegen, ist nicht nur eine der schönsten und besten Universitäten der Welt, sondern zugleich auch eine der teuersten.

Ein Studium an dieser kalifornischen Elite-Schmiede ist wahrlich kein billiges Vergnügen. Über den Daumen gepeilt, muss man pro Jahr mit ca. 40.000 Dollar tuition fees, den Studiengebühren, rechnen. Dazu kommen noch etwa 20.000 Dollar für Unterkunft und Verpflegung. Da addieren sich während eines Studiums locker 200.000 Dollar.

All das ist nicht billig, jedoch überaus preiswert. Denn für das Geld erhält man eine erstklassige Gegenleistung. Stanford kann einiges vorweisen: Einen wunderschönen Campus mit allen Annehmlichkeiten. Dozenten, die sich oft nur um 4 oder 5 Studenten zu kümmern haben, 16 Nobelpreisträger als Professoren und Vorlesungssäle mit modernster Technik und eigenem Techniker. Und vor allem: Ein offenes und kreatives Miteinander auf dem Campus. Firmen wie Google, Yahoo oder SUN wurden hier von Studenten gegründet. Stanford muss den chronisch unterfinanzierten deutschen Hochschulen wie ein akademisches Schlaraffenland erscheinen.

Die Aufnahmeprüfung ist knallhart. Nur 15.000 Studenten sind in Stanford eingeschrieben, auf einem weitläufigen Campus, größer als eine Kleinstadt. Durch Studiengebühren, Spenden und Zuwendungen der Alumni, der Ehemaligen, haben die amerikanischen Universitäten ein Vermögen angehäuft, das für deutsche Ohren unvorstellbar klingt. Stanford beispielsweise besitzt ein Stiftungsvermögen von 18 Milliarden Dollar, das professionell verwaltet, in guten Jahren zweistellig wächst.

Ist das Studium an Stanford deshalb nur etwas für Super-Reiche? Eine Elite-Universität nur für die Elite? Mitnichten! Die Stanford University erlässt Studenten aus armen Familien die Studiengebühren inklusive Nebenkosten für das undergraduate-Studium. Das scheint mir eine verrückte Entwicklung: Die mittelmäßigen deutschen Universitäten beginnen zaghaft Studiengebühren zu verlangen, eine amerikanische Top-Uni schafft die Studiengebühren für wenig Betuchte ab. Neben solchen Freiplätzen gibt es übrigens ein durchdachtes Stipendienprogramm sowie Studienkredite.

Mir scheint ein anderer Umstand erwähnenswert. Nämlich wie Stanford den Begriff Bedürftigkeit bei den Gratisplätzen quantitativ fasst. Bei einem jährlichen Familieneinkommen der Eltern von unter 100.000 Dollar werden fortan keine Gebühren mehr fällig. 100.000 Dollar, das sind knapp 80.000 Euro, gelten für Stanford als Armutsgrenze. Mit 80.000 Euro gehört man in Deutschland zum wohlsituierten oberen Mittelstand. Auch daran mag man erkennen, wie weit Deutschland abgerutscht ist.

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Wo die Luft der Freiheit weht

Fern der Heimat erwartet mich an der Stanford University im kalifornischen Palo Alto eine faustdicke Überraschung. Die Leland Stanford Junior University, so ihr voller Name, führt ein deutsches Motto in ihrem Siegel. Die Luft der Freiheit weht, dieser Satz auf Deutsch steht deutlich über dem hohen Nadelbaum, der Palo Alto auch den Namen gibt.

Ist das schön! Die Luft der Freiheit weht geht zurück auf einen Ausspruch des Humanisten Ulrich von Hutten, der im 16. Jahrhundert ein Weggefährte des Erasmus von Rotterdam war. David Starr Jordan, der erste Präsident der Stanford Universität hat ihren Gründer, den Unternehmer und Politiker Leland Stanford, von dem Motto bereits kurz nach Gründung 1891 überzeugt.

Auch wenn die Übersetzung aus dem Lateinischen aus heutiger Sicht vielleicht mit Der Wind der Freiheit weht etwas gefälliger hätte ausfallen dürfen, so bleibt Die Luft der Freiheit weht doch ein betörender Wahlspruch.

Dass eine amerikanische Eliteuniversität ihn nutzt, adelt den deutschen Humanismus. Es zeigt, welchen Einfluß das Geistesleben Deutschlands und Preußens bei der Gründung der amerikanischen Hochschulen gehabt hat. Und es führt uns auch vor Augen, wie weit die Amerikaner uns in puncto Spitzenbildung heute abgehängt haben.

Die Luft der Freiheit weht. Ein deutscher Student würde wohl gelangweilt mit der Schulter zucken, für einen Stanford-Studenten jedoch ist dieses Motto gelebte Wirklichkeit. Dem Motto wohnt eine Verpflichtung inne. Es bedeutet Unabhängigkeit und Toleranz, es bürgt für die Freiheit von Lehre und Forschung, es meint, dass kein Ministerium in Curriculum und Berufungen hineinquatscht und es drückt aus, dass keine finanzielle Gängelung durch öffentliche Hände stattfindet.

Die Lehrveranstaltungen in Palo Alto spiegeln diesen freien Geist wider. In den Hörsälen und auf dem Campus werden Freiheit und Respekt vorgelebt. Eine Autonomie, aus der, wenn sie mit hoher Bildung zusammen kommt, eine ungeheure Kreativität erwächst. William Hewlett und David Packard, beide Stanfordianer, bringen in einer Holzgarage downtown ihre Computer-Firma Hewlett-Packard ins Leben. Die Kommilitonen David Filo und Jerry Yang gründen Yahoo. Larry Page und Sergey Brin entwickeln auf dem Campus die Suchmaschine Google und damit einen Weltkonzern. Andreas von Bechtolsheim begründet die Netzwerkfirma SUN, was vordergründig Sonne heißt, eigentlich aber auf die Abkürzung von Stanford University Network zurückgeht.

Ohne die Stanford Universität wäre das Silicon Valley nicht vorstellbar, sie ist Hirn – und wohl auch Herz – der kalifornischen Computer-Industrie. Die Stanford University zeigt, was alles möglich ist, wenn Freiheit regiert. Kreativität, Innovation, Erfolg. Wenn die Luft der Freiheit weht.

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