Düsseldorf, den 21. Mai 1992; Photo by Hasso von Bülow

Ein Riese. Ein ganz Großer. Körperlich groß, sicherlich zwei Meter, und ein ganz Großer der Wirtschaftswissenschaften sowieso. John Kenneth Galbraith und seine Frau steigen aus der Limousine, die das Paar aus Hamburg bringt, und er begrüßt mich freundlich.

Galbraith ist einer der meinungsbildenden Vordenker der klassischen Volkswirtschaftslehre. Und zudem einer, der oft und gerne gegen den Strich bürstet. Unter den großen Volkswirten sticht er durch eine gehörige Portion Eigensinn hervor.

Den Begriff Marktwirtschaft beispielsweise hielt er für eine arglistige Verbrämung der Bezeichnung Kapitalismus, als dieser in den 50er Jahren zum Unwort mutierte. John Kenneth Galbraith gefiel sich in seiner Rolle als Querdenker der Nationalökonomie. Galbraith plädierte für Preiskontrollen, für Staatsinterventionismus, für Rationierung und ähnliche obskure Instrumente aus der Mottenkiste der Linken.

Im akademischen Wettstreit des letzten Jahrhunderts waren die Fronten damit klar abgesteckt. In der orangen Mannschaft spielten Keynes und Galbraith. Auf der anderen Seite, in der blauen Truppe, konnte man Schumpeter, von Hayek und Milton Friedman als Spielgestalter finden. Bis in die 70er Jahre hinein gewann meist die orange Mannschaft, später erhielten die Blauen Oberwasser.

Der 1908 im kanadischen Iona Station geborene Galbraith blieb zeitlebens ein Wanderer zwischen den Welten. Zwischen der Lehre – Berkeley, Harvard, Princeton – und der Politik. Er arbeitete ab 1940 im Stab von Präsident Roosevelt und wurde später als Botschafter nach Indien entsandt. Er war wohl mehr Politiker und Veränderer als reiner Wirtschaftswissenschaftler.

Es lohnt Galbraith zu lesen, wenn er über Entwicklungsländer schreibt. Über symbolische Modernisierung, über optimales oder selektives Wachstum. Grundlage bildet dabei – manche haben ihn da gründlich missverstanden – der Markt. Und: Bildung sieht er für diese Länder als die entscheidende Chance.

Das eine oder andere, was er von sich gab, war – seien wir höflich – Außenseitermeinung. Aber Galbraith konnte so anschaulich, so klar und witzig formulieren, dass man geneigt war, manch krummen Gedanken gerade biegen zu wollen. Er war auf jeden Fall ein Gesprächspartner, wie man ihn in dieser Eloquenz selten findet.

Und er hat Begriffe geprägt, die selbst nach einem halben Jahrhundert noch nachwirken. The Affluent Society, zum Beispiel, die Überflussgesellschaft, sein bekanntestes Werk aus dem Jahr 1958. Der Kapitalismus erzeuge zwar privaten Reichtum, aber auch öffentliche Armut in Form von mangelhafter Infrastruktur und unzureichender Dienstleistung.

John Kenneth Galbraith war ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Nach unserem Treffen in Düsseldorf schrieb er mir einen Monat später einen charmanten, persönlichen Dankesbrief und er und seine Frau bedankten sich für die Gastfreundschaft. Kurz darauf folgte ein zweites Schreiben und er lud mich ein nach Cambridge, seinem Wohnort in Massachusetts. I do trust that we will meet again.

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