Reisen & Begegnungen

Autor: Wolfgang Stock Seite 24 von 38

Pappkamerad Karl

Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Beim aufmerksamen Gang durch die Stadt fällt eines auf. An vielen Ecken wird die DDR verhätschelt und verniedlicht. Anstatt sich mit der Diktatur der SED auseinanderzusetzen, ziehen viele Menschen es vor, die kommunistische Willkür als eine mehr oder weniger knuffige und drollige Fussnote der deutschen Geschichte zu verharmlosen.

Vor dem Brandenburger Tor stehen Komparsen in DDR-Uniform, die Touristen für zwei Euro eins auf die Mütze geben. Auf den Flohmärkten findet man hübsche Orden und bunte Epauletten kommunistischer Provenienz, in den Buchhandlungen stehen die Werke mit den Spruchbeuteln der Ideologen, ganz so, als würde man über das antike Griechenland reden.

In der Ecke eines Geschäftes wurde ein alter Trabi hingestellt, in den man sich setzten darf, um heiter klassenloses Autofahren zu spielen und im Souvenirladen steht Oberdenker Karl als Pappkamerad oder Gipsbüste. Karl Marx. Gips. 21 Euro.

Diese Geschichtsklitterung ist gefährlich: Aus einem

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Für jeden etwas…

gefunden in Berlin, im Februar 2012; Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Auch wenn der Drang drängt, auf sprachliche Akkuratesse möge bitte geachtet werden.

Aber weshalb solch sich der Sprachpurist aufregen? Englisch plus Französisch in Deutschland. Mischmasch, sprachlich.

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Das Berliner Olympiastadion macht keine Freude

Berlin, in Februar 2012, Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Es ist das Fußballstadion der deutschen Hauptstadt. Das Berliner Olympiastadion. Dies ist ein Ort, an dem Spass und Ausgelassenheit regieren sollten.

Und doch habe ich ein Problem mit diesem Olympiastadion. Ich war da. Jedoch ein anderer auch. Man merkt es. Der Mann lastet auf diesem Ort.

Man bemerkt diesen Mann an der Architektur des Stadions. Ich kenne die Bauart. Aus Russland, aus der DDR, aus China. Wuchtige Klötze, gerade Linien, strenge Formen. Keine Schnörkel, nichts Verspieltes, keine Lebensfreude. Der Beton ist stark, der Mensch ist ein nichts.

Das war die Botschaft dieses Mannes. Hier im Stadion hat er seine Wahnideen und seine Mordtaten gefeiert. Deshalb mag bei mir keine rechte Freude aufkommen, an diesem Ort, selbst 70 Jahre später.

Dass man die diktatorischen Linien mit

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Der freundliche Bäcker

gefunden in Berlin, im Februar 2012, Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Wenn Du nicht lächeln kannst, dann mache kein Geschäft auf. Freundlichkeit gehört zur Grundvoraussetzung eines Ladeninhabers. Auch für Bäcker.

Warum muss Freundlichkeit extra betont werden? In Berlin. Gibt es hier auch unfreundliche Bäcker?

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Das neue Wahrzeichen der neuen Metropole

Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Die Kuppel des Reichstags. Wie ein runder, spitzer Hut sitzt die Kuppel auf dem alten Reichstag.

Unten Renaissance, oben Modernität. Unten all das Elend der deutschen Geschichte, die bigotten Kaiser, der Reichstagsbrand, der braune Terror. Oben das neue Deutschland, nach Diktatur braun und rot.

Ein futuristisches Bauwerk – und doch irgendwie in deutscher Tradition. Manches scheint man irgendwo schon gesehen zu haben. In dem futuristischen Stummfilm von Fritz Lang beispielsweise, in Metropolis aus dem Jahr 1927. Hier in Berlin Babelsberg gedreht.

Die Kuppel aus Glas und Spiegeln, das neue Wahrzeichen der neuen Metropole. Der Sieg des Neuen über das Alte, aber irgendwie doch kein Bruch und keine Abrechnung.

Der Blick geht Richtung Himmel, nach oben, ein Wahrzeichen, das über Berlin thront. Aus dem Dach des wuchtigen Reichstags ragt diese Kuppel von 24 Metern. Ein Stahlskelett, dessen Rippen sich wie eine

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Mahnmal des Unvorstellbaren

Photo by W. Stock

Berlin, im Februar 2012

Holocaust. Die systematische Vernichtung der europäischen Juden. Die grausamste Politik, die sich nur denken lässt in der jüngeren Geschichte der Menschheit. Es gilt nicht zu vergessen.

Doch wie kann man die Erinnerung an das Unvorstellbare, an das Nichtbegreifbare wach halten? Das Monument des New Yorker Peter Eisenman, auf 19.000 Quadratmeter, versucht hierauf eine Antwort.

Seit 2005 steht das Monument, unweit des Brandenburger Tors. Ein Mahnmal, inmitten in der Stadt, von der das Verbrechen ausging. Die Ausrottung der Juden in Deutschland und Europa in den 30er und 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Das Verbrechen, unbegreiflich: Der Wahn von Wahnsinnigen.

Quader an Quader. Grau an grau. Ein Labyrinth aus Beton. Steinblock an Steinblock. Manche flach wie der Boden, andere bis zu fünf Metern hoch. Dazwischen Gassen, eng und massiv, die einen zu erdrücken scheinen.

Das Holocaust-Mahnmal ist in seiner Nüchternheit, auch in seiner Bedrängnis, ein Monument, das einschüchtert. Wie ein

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Meine Fotos im Museum

Akademie der Künste, Berlin; Photo by C. Stock

Berlin, den 19. Februar 2012

Akademie der Künste, Pariser Platz, Berlin, direkt neben dem Hotel Adlon. Hier läuft seit kurzem für zwei Monate bis 15. April die Ausstellung über den Schauspieler Mario Adorf …böse kann ich auch.

Zahlreiche Fotos, Manuskripte, Notizzettel und Dokumente, die sich im Laufe von Adorfs reicher Karriere angesammelt haben, werden dem Publikum zugänglich gemacht. Mario Adorf hat diesen Nachlass der Berliner Akademie vermacht. Da der Schauspieler ja glücklicherweise noch lebt, sehen wir hier also seinen Vorlass. Kurator Torsten Musial hat eine spannende Ausstellung zusammengetragen.

Neben all den Erinnerungsstücken von Adorf sind da auch zwei Fotos, die nicht aus dem Fundus des 81-jährigen Schaupielers stammen. Ein Foto, das ihn bei den Dreharbeiten zu Fitzcarraldo zusammen mit Mick Jagger zeigt. Auf dem anderen sieht man den Regisseur Werner Herzog bei den Dreharbeiten im Urwald. Beide Fotos aufgenommen 1981 im peruanischen Amazonasdschungel. Meine Fotos. Ich war dabei. Ich habe damals

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Otto muss es hinbiegen

Samstag, den 18. Februar 2012; Photo by W. Stock

Berlin, den 18. Februar 2012

Heute das Bundesliga-Match Hertha BSC Berlin gegen den deutschen Meister Borussia Dortmund. 74.000 Zuschauer im Olympiastadion.

Die Berliner taumeln dem Tabellenkeller entgegen, entlassen den guten Trainer Markus Babbel, dann nach fünf Partien dessen Nachfolger Michael Skibbe. Ab nächste Woche wird Veteran Otto Rehhagel, gut über siebzig, neben dem Spielfeldrand stehen. Es ist Karneval.

Da kommt der deutsche Fussballmeister aus dem Ruhrpott gerade unrecht. Gegen die Zauberkünstler aus Dortmund gibt es eh keinen Blumentopf zu gewinnen. Sollte man meinen. Jedoch, weit gefehlt.

Die Mannschaft, die in Berlin enttäuschte, waren

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Marcel Reif vertippt sich

Samstag, den 18. Februar 2012, Foto by R. Stock

Samstag, der Mittagsflug von München nach Berlin. In der Lufthansa-Maschine fliegt auch der Fussball-Journalist Marcel Reif.

Für den Fernsehsender sky ist er auf den Weg ins Berliner Olympiastadion, um die nachmittägliche Bundesliga-Partie der Hertha gegen Borussia Dortmund zu kommentieren.

Ob er einen Tipp für das Match wage, frage ich ihn. 2 zu 0 für die Berliner, antwortet er heiter. Ich stimme zu. Sicher wird die Hertha es dem geschassten Trainer Michael Skibbe zeigen wollen. Auch ich tippe ein 2 zu 0.

Sie sind der intelligenteste Fussball-Kommentator, sage ich noch zu ihm. Marcel Reif strahlt. Aber irgendwie weiß er dies schon. Aber es freut ihn, die

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Bernard Stanley Bilk nennt sich Acker

London, im Sommer 1976

Als Schüler, als Sechszehn- oder Siebzehnjähriger, habe ich die Band von Acker Bilk in London einige Male gehört. Im 100 Club, im Holland Park oder den kleinen Jazzkneipen in der britischen Hauptstadt.

Diese bodenständige Musik war sozusagen mein Entree in den wunderbaren Kosmos des Jazz. Mr. Acker Bild and his Paramount Jazz Band hieß seine Gruppe, damals wie heute, alle Bandmitglieder in gestreiften Westen und Acker Bilk mit Bowler und Ziegenbärtchen. Traditional Jazz als Markenzeichen.

Acker Bilk ist ein einfühlsamer Klarinettist alter Schule. Er liebt die tiefen, warmen Töne und ein vibratoreiches Spiel. Seine Paramount Jazz Band zelebriert ein kompaktes, temporeiches Spiel, mit dem einen oder anderen Showelement. Schließlich soll die Musik auch Freude machen.

Bernard Stanley Bilk, Jahrgang 1929, nennt sich Acker, was nicht nur in seiner südwestenglischen Heimatregion Somerset so etwas wie Kumpel bedeutet. Auch Gerhard Schröders Spitzname als junger Kerl war Acker, weil er so rasant über den Fussballplatz fegte.

Angefangen hat Acker Bilk

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