Reisen & Begegnungen

Autor: Wolfgang Stock

Tu felix Bavaria!

Photo by W. Stock

Der Süden Deutschlands boomt. Mehr Wohlstand als sonst wo, eine niedrige Kriminalität, fast Vollbeschäftigung, die besten Schüler, gute Universitäten, Spitzentechnologie, das beste Essen, ein Weltklasse-Fussball. Alles Zufall? So sieht es zumindest die SPD.

Auch für die Medienwirtschaft ist Bayern attraktiv. Nicht Berlin, sondern München ist die Hauptstadt Deutschlands. Droemer, Random House, Burda, Condé Nast, Süddeutsche, Sky, Pro7, Hanser, die wichtigen Literaturagenten – München ist Deutschlands Medien-Hauptstadt. Sapperlot, was ist denn dran an München, aus welchem Grund will halb Deutschland in der Bayern-Metropole arbeiten?

Böse Zungen behaupten, die Tatsache, dass die meisten Verlage in München angesiedelt seien, habe einen einfachen Grund: In München gäbe es das beste Bier der Welt. Das stimmt! München liegt in puncto Pro-Kopf-Verbrauch an Bier in Deutschland an erster Stelle. Ohne Verlagsleute nur auf Platz 7.

Grüss Gott wird in Bayern gerufen, man ist katholisch in diesen Breiten, sicher doch, aber auf eine überaus pragmatische Art und Weise. Je kürzer der Weg vom Gotteshaus in die Bierschänke, desto besser. Im Kloster Andechs hat man beides praktischerweise gleich nebeneinander gebaut. Verweildauer: Fünf Minuten Kirche, zwei Stunden Wirtshaus.

Zweimal haben die Bayern eine Revolution vom Zaune gebrochen: Einmal 1918, als die Räterepublik ausgerufen wurde, die zweite 1996, als Anwohner per Gericht die Biergärten um 20 Uhr schließen lassen wollten. Die erste Revolution scheiterte, die zweite war von Erfolg gekrönt. Die letzte Mass darf – laut bayerischer Biergartenverordnung – um halb 11 nachts ausge­schenkt werden.

Die königlichen Ludwigs – der erste fiel der Hochstaplerin Lola Montez, der zweite dem Schwachsinn anheim – werden noch immer verehrt. Doch auch die Bilanz der republikanischen Ludwig-Nachfolger kann sich sehen lassen. Unter Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber hat sich Bayern von einem rückständigen Agrarstaat direkt ins zukunftsträchtige High-Tech-Zeitalter gebeamt.

Laptop und Lederhose – beides geht für den knorrigen Bayer schon zusammen. Andernorts, gerade im Westen Deutschlands, wird das Lamento über die Gefahren der neuen Technologien angestimmt und noch immer in den Denkmustern der Fabrikschlote gedacht. In Bayern hingegen kämpfen die Förderungsgesellschaften, Cluster-Initiativen, die Ministerien und jeder Bürgermeister um die Ansiedlung junger High-Tech-Firmen.

Trotz dieser modernen Infrastruktur ist der Bayer im Grunde seines Herzens ein Naturbursch mit rüder Herzlichkeit und mit der Gewitztheit eines Almbauern geblieben. Diese sympathische Symbiose aus Modernität und Bodenständigkeit macht wohl die Attraktivität Bayerns aus.

Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land, so Ludwig Ganghofer über das Berchtesgadener Land. Man möchte anfügen, dies möge auch für München und gleich für ganz Bayern gelten.

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Im neuen A380

A380 Lufthansa Airport travelMünchen, im November 2007

Der Jungfernflug des nagelneuen Airbus 380 führt nun nach München. Die Maschine stellt sich am Airport vor, und die meisten Besucher kommen aus dem Staunen nicht heraus.

Dieser A380 entwickelt sich zur Erfolgsgeschichte. Am Wochenende erst hat die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai den Kauf von weiteren 11 Airbus-Flugzeugen A380 bekanntgegeben.

In der Tat läutet der A380, der größte Passagierjet der Welt, eine neue Dimension des Fliegens ein. Zum ersten Mal besitzt ein Flugzeug ein durchgehendes Ober- und Hauptdeck. Beim bisherigen Primus Boeing 747, dem Jumbo Jet, erstreckte sich das Oberdeck nur über den Buckel im vorderen Drittel.

Die Passagierzahl des A380 kann je nach Konfiguration von First, Business und Economy auf über 850 – plus 20 bis 30 Crewmitglieder – anwachsen. Man steigt nicht nur vorne und hinten ein, sondern getrennt auch an Ober- und Hauptdeck. Wenn man den A380 begeht, dann wandert man wie durch eine kleine Stadt.

Eine Bar in Oberdeck, Arbeitsnischen, Verweilinseln mit chaises longues, bequeme Schlafliegen in der Business Class. Unterhaltungsprogramme sind in die Kopfstützen der jeweiligen Vordersitze eingebaut. Die Farben werden in einem angenehmen, ruhigen Pastell gehalten.

Die eigentliche Herausforderung bei dem A380 bestand darin, das Mehr an Volumen durch Einsparung an Gewicht auszugleichen. Solch eine Länge von 72 Metern, eine Spannweite von knapp 80 Metern und eine Höhe von über 24 Meter konnten nur durch die Verarbeitung neuer Materialien erreicht werden.

Auch eine Reduktion der Betriebskosten ist den Airbus-Ingenieuren gelungen: Um 15 Prozent konnten die Kosten pro Passagier und Flugkilometer gesenkt werden. Manchen Grünen mag erstaunen, wie leise dieser Vierstrahler in der Luft liegt.

Hut ab vor dem vielgescholtenen franko-germanischen Staatsunternehmen Airbus, dem es gelungen ist, den Gesetzen der Schwerkraft eine neue Dimension abzutrotzen. Der A380 ist das Meisterstück menschlicher Ingenieurskunst.

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Top of the Rock

Im Fachmagazin BuchMarkt vom August gefällt mir eine ansprechende Werbung für die neuen In Guides aus dem Kunth Verlag. Als Eye Catcher dient ein Motiv aus New York.

Der Blick hoch droben vom Rockefeller Center mit Blick auf das nördliche Manhattan und das Empire State Building. Wobei das Rockefeller als Aussichtsplattform dem Empire State jederzeit vorzuziehen ist. Bei der Anzeige fällt ins Auge besonders ein silberner Art Deco-Fernstecher, von dem es dort oben ein Dutzend gibt.

Mit dem man sich – unter zur Hilfenahme von 50 Cent – aus 260 Metern Höhe den Central Park und die Upper West Side anschauen kann.

Wieder Zufall so will, ein paar Wochen zuvor war ich just an gleicher Stelle. Übrigens, der Höhenblick von Top of the Rock ist dem des Empire State Buildings vorzuziehen. Es ist auch weniger Rummel hier.

Und wenn man dann oben steht, im 70. Stockwerk über New York, dann mag man sich für einen kurzen Augenblick fühlen as rich as Rockefeller.

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Jason Robards – der gefallene Fitzcarraldo

Claudia Cardinale und Jason Robards am ersten Drehtag von Fitzcarraldo in Iquitos; Photo by R. Pinedo/Collection W. Stock

Iquitos, den 5. Januar 1981

Der große Hollywood-Akteur Jason Robards spielt einen wunderbaren Fitzcarraldo. Heute beginnen in Peru die Dreharbeiten zu Werner Herzogs Dschungelepos Fitzcarraldo. Nur, dieser Robards-Fitzcarraldo wird es nie bis in die Kinos bringen.

Das weiß in diesen Januartagen des Jahres 1981 keiner in Iquitos, manch einer mag es mit viel Phantasie vielleicht erahnen. Denn irgendein Unheil liegt über diesen Dreharbeiten. Die grelle Sonne brennt hart auf die Filmcrew nieder, das Thermometer schlägt bei 42 Grad aus. Im Schatten.

Irgendwie scheint all dies ein großer Irrtum. Da treffen sich zwei Große der Filmgeschichte, hier mitten im Amazonasurwald, aber irgendwie passt alles nicht recht zusammen. Jason Robards, damals 58 Jahre alt, hatte in großartigen Hollywood-Filmen wie Julia oder All the President’s Men mitgespielt, er war das Charaktergesicht eines klugen, amerikanischen Films.

Robards ist ein überaus erfahrener Mime auf Leinwand und Bühne, einer, der schon einiges erlebt hat. Aber dieses Filmprojekt mit Werner Herzog, dem Naturburschen des neuen deutschen Films, will einfach nicht gelingen.

In seinem hellgrauen Leinenanzug und dem weißen Panama-Hut gibt Jason Robards einen prächtigen Fitzcarraldo ab, aber das Klima hier im tiefen Regenwald Perus ist ihm zu heiß, zu schwül. Und überhaupt. Wenn die Kamera abgeschaltet ist, wirkt Robards ausgelaugt, er schwitzt und sieht abgekämpft aus, man merkt, all dies ist ihm zu viel.

Vielleicht wußte der Feingeist aus dem Norden nicht, auf was er sich da einlässt. Jedenfalls scheint er noch nicht im Urwald Perus – und auch nicht bei diesem Filmprojekt – angekommen zu sein. Jeden Morgen verlangt er als Frühstückslektüre die New York Times. Und eines Abends kriegt er einen veritablen Tobsuchtsanfall und schimpft auf alle Welt. Auf Herzog, die Filmleute, auf Peru und insbesondere auf Nancy Reagan, die Frau des US-Präsidenten. All dies erscheint irgendwie deplatziert hier inmitten der sengenden Hitze des Regenwaldes.

Sechs Wochen nach Drehbeginn erkrankt Jason Robards an Amöbenruhr und lässt sich mit dem nächsten Flugzeug in die USA ausfliegen. Sie hören von meinem Rechtsanwalt, ruft er dem verdutzten Herzog nach, der mit halbgedrehtem Film im Dschungel Perus stehen bleibt.

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Hemingway – ein politischer Kopf?

Hemingway war kein politischer Schreiber. In Sachen Politik war er eigentlich ein dummer Kerl. Politik interessierte ihn, den Anti-Intellektuellen, nur am Rande. Er war ein Bauchmensch.

Das hinderte ihn nicht, schnell Position zu beziehen. So im Spanischen Bürgerkrieg, so bei der kubanischen Revolution. Seine Standortbestimmung war jedoch meist intuitiv, emotional oder an Personen geknüpft. Und wehe, wenn man auf der falschen Seite, von Hemingway aus gesehen, stand!

Das bekam beispielsweise John Dos Passos zu spüren. Der Autor des Megaromans Manhattan Transfer hatte 1937 zusammen mit anderen Intellektuellen unter Leitung des holländischen Dokumentarfilmers Joris Ivens den Propagandastreifen The Spanish Earth als Unterstützung für die Republikaner gedreht. Zu dem Film hatte Hemingway den Kommentar geschrieben, den Orson Welles sonor vortrug.

Ein Jahr später legte Dos Passos leichte Sympathien für den aufständischen General Franco an den Tag, weil seiner Meinung nach – und was nicht zu leugnen war – stalinistische Kommunisten auf Republikanerseite die Oberhand gewannen und die verbündeten Anarchisten und Trotzkisten terrorisierten.

Hemingway schrieb seinem alten Freund John Dos Passos einen gesalzenen Brief und stauchte ihn zusammen. John sei oberflächlich, was für einen Schriftsteller ein ziemlicher Vorwurf ist. Die Sache ist, dass Du die Wahrheit nicht in zehn Tagen oder drei Wochen herausfinden kannst, und dieser Krieg ist lange Zeit nicht von den Kommunisten geführt worden. Wenn die Leute eine Artikelserie von Dir lesen, die sechs Monate und länger läuft, merken sie gar nicht, wie kurz Du in Spanien gewesen bist und wie wenig Du gesehen hast.

Auch wenn Hemingway eher unpolitisch daher kam, so besaß er doch seine Grundüberzeugung. Grundwerte, die sich aus seinem Leben und seinem Temperament ableiteten. Sein Verständnis als Schriftsteller beschrieb Hemingway 1935 in einem Brief an Iwan Kaschkin. Jeder versucht einen jetzt mit der Behauptung einzuschüchtern, wenn man nicht Kommunist werde oder einen marxistischen Standpunkt einnehme, wird man keine Freunde haben und allein sein. Ich kann jedoch kein Kommunist werden, weil ich nur an eines glaube: an die Freiheit.

Ein Haudegen wie Hemingway konnte den Freiheitsbegriff politisch nicht abstrahieren. Er ging mit einem solchen Wert eher pragmatisch, träumerisch, ja romantisierend um. Freiheit bedeutete für ihn immer das Gegenteil von Zwang. Hemingway, dem Individualität und Unabhängigkeit wichtig waren, besaß stets eine große Skepsis gegenüber dem Kollektiv. Als erstes würde ich mich um mich selbst kümmern. Dann würde ich meinem Nachbarn helfen. Aber um den Staat kümmere ich mich überhaupt nicht.

Ein Schriftsteller hat laut Hemingway nicht die Aufgabe, einen politischen oder Klassenstandpunkt einzunehmen. Er soll ein Geschehen aufschreiben und nicht erfinden oder fabulieren. Ein guter Autor habe nicht für eine Sache oder für eine politische Zielsetzung  zu schreiben. Ein Autor diene niemandem, nur der Wirklichkeit. Ein echtes Kunstwerk ist von unbeschränkter Dauer, egal, welche politische Meinung darin steckt. Wer genug Talent hat, ist in allen Klassen zu Hause. Er nimmt von ihnen allen und was er gibt, gehört jedem.

Die Arbeit eines Schriftstellers sollte allein dem Anliegen dienen, große Kunst zu schaffen. Ein Autor geht hinaus in die Welt, beobachtet und schreibt auf. Das habe ohne Vorurteil zu erfolgen. Nur zweitklassige Schriftsteller, nur Autoren ohne Talent, seien darauf angewiesen, sich in den Klassenkampf zu begeben.

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John Naisbitt: China, China, China!

John Naisbitt, Doris Naisbitt, Wolfgang Stock (v.r.n.l.); München, im November 2007.

Ein langes Mittagessen mit John und Doris Naisbitt im exzellenten Spatenhaus mit Blick auf die Münchener Oper. John mag ein saftiges Schnitzel und trinkt, wie immer, Tafelwasser mit Eiswürfel. Doris und John kommen aus Wien und fliegen am Abend nach Peking.

John Naisbitt, der große amerikanische Trendforscher, hat über 18 Millionen Bücher verkauft und allein sein Hauptwerk Megatrends ging weltweit 11 Millionen mal über die Ladentheke. In diesen Megatrends, 1982 erschienen, beschreibt er 10 Trends, die unsere Zukunft bestimmen. Er lag bei keiner Prognose daneben.

Es gibt für John und Doris im Augenblick nur ein großes Thema: China. Beide waren in diesem Jahr bereits siebenmal im Reich der Mitte und sind von dem rasanten Tempo der Entwicklung beeindruckt. Während wir in Europa das heutige China häufig noch als Land der gelben Ameisen sehen, ihm kurioserweise gar Entwicklungshilfe zukommen lassen, hat sich das Land längst zum selbstbewussten global player entwickelt. Die Chinesen genießen ihre wirtschaftliche Freiheit und erleben einen Wohlstandsschub wie noch nie.

Präsident Hu spreche ausdrücklich von Marktwirtschaft, und nicht verbrämt von sozialistischer Marktwirtschaft oder Marktwirtschaft mit menschlichem Antlitz. In China gebe es, so John, Marktwirtschaft pur. Das Wort Kommunismus hingegen komme im offiziellen Sprachgebrauch kaum noch vor. Wahrscheinlich gibt es in Deutschland heute mehr Kommunisten als in China, machen wir uns lustig.

Die Problembereiche seien der politischen Elite bekannt: Korruption, ökonomische Überhitzung, Umweltverschmutzung. Man sei jedoch, meint John, auf dem richtigen Weg. Übrigens, er halte China nicht für eine aggressive Macht, der Militäretat sei im letzten Jahr gekürzt worden. Die Chinesen interessiert hauptsächlich, das Land wirtschaftlich voran zu bringen.

Die Entwicklung sei nicht mehr umkehrbar. Der ökonomischen Freiheit werde die politische Freiheit folgen. Dies sei ein langsamer Prozess, aber er sei voll im Gange. Und man habe Zeit. Die Chinesen denken nicht in Monaten oder Jahren, sondern in Dynastien.

Und John Naisbitt ist in solchen Fragen nicht nur Theoretiker oder Beobachter, er möchte miterleben, er will dabei sein. Am Abend haben die Naisbitts die Lufthansa-Maschine nach China genommen und werden fortan einen ihrer Wohnsitze nach Tianjin, der 10-Millionen-Metropole nördlich von Peking, verlagern.

John wird dort, neben seiner Professorentätigkeit an chinesischen Universitäten, forschen und schreiben. Doris wird ihn unterstützen und weiterhin darauf achten, dass es ihm gut geht. Ein neues Abenteuer bricht an im Leben des sympathischen Amerikaners. Respekt, man mag es kaum glauben, der Mann wird nächsten Januar 79 Jahre jung.

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Northsea Jazz Festival

Das Konzept war für die 70er Jahre revolutionär. Jazz, nicht mehr als Einzelkonzert, sondern parallel in einem Dutzend verschiedener Säle zur Auswahl. Und so konnte der Besucher sich sein ganz eigenes Festival zusammenstellen, indem er von Saal zu Saal wechselte.

Das Northsea Jazz Festival, seit 1976 im Kongressgebäude von Den Haag, hat sich mit diesem innovativen Konzept schnell zu einem der besten Sommerfestivals in Europa gemausert.

Und Northsea Jazz bedeutet Gigantomanie: Der größte Saal bot mehreren tausend Leuten Platz, die kleineren einigen wenigen hundert. Und auch im Garten hatte man ein Riesenzelt aufgebaut, in dem dann Miles Davis tausende Musikbegeisterte anzog.

Dieses Mammut-Festival geht zurück auf einen älteren Herrn namens Paul Acket. Diesen sympathischen, etwas zerstreut wirkenden Jazzfreund sah man mit grauem wehenden Haar durch das Kongressgebäude von Saal zu Saal eilen. Acket, ein ehemaliger Verleger von Musikzeitschriften, verbuchte mit seiner Festivalidee einen vollen Erfolg: Schnell besuchten alljährlich 30.000 bis 40.000 Liebhaber das dreitägige Festival Mitte Juli.

In Den Haag habe ich Musiker gehört und gesehen, das will man heute kaum mehr glauben: Clark Terry, Dave Brubeck, Dizzy Gillespie, Ella Fitzgerald, George Shearing, Kai Winding, Grover Washington jr, Herb Ellis, Jim Hall, Joe Pass, Tony Williams, Jay McShann, die Lionel Hampton All Stars, Ken Colyer’s Jazzmen, Monty Alexander, Milt Jackson, Sonny Stitt, Taj Mahal, Woody Herman and the Young Thundering Herd, Tete Montoliu, Wild Bill Davis, Archie Shepp, Muddy Waters, Buck Clayton, Oscar Peterson, B.B. King, Ruby Braff, Bob Wilber, Count Basie and his Orchestra, den großen Chet Baker, Spyro Gyra, Chick Corea, Sun Ra Arkestra – und die Liste ist noch nicht vollständig.

Und all dies sind nicht die Musiker aus 34 Jahren Northsea Jazz Festival.  Nein, nein, das sind nur Musiker, die alleine in den drei Julitagen des Jahres 1979 den Weg nach den Haag gefunden haben.

Keine Frage, das ist beeindruckend, das wird so nicht wiederkommen. In Den Haag erlebte man das Who’s who der Jazzhistorie.

Ich war von 1977, dem zweiten Festival, dann viele Jahre regelmäßig in Den Haag. Und habe dort alle Großen des Jazz gesehen. In den letzten Jahren zog es mich nicht mehr zu North Sea Jazz, das nun alljährlich in Rotterdam stattfindet.

Denn, was haben all diese aufgeführten Musiker gemein? Nun, die Allermeisten weilen nicht mehr unter uns. Das ist ein herber Verlust für uns und natürlich auch für den Jazz. Ja, es gibt keinen Dizzy Gillespie mehr. Und genauso schlimm, es gibt keine Dizzy Gillespie-Musik mehr.

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Goa – Paradies hinter Büschen

Photo by W. Stock

Goa, im Januar 1982

Auf den ersten Blick scheint Goa wie ein paradiesischer Mix aus portugiesischem Katholizismus, hinduistischer Abgeklärtheit und azurblauem Himmel. So mag sich der liebe Gott, oder der indische Mensch-Elefant-Gott Ganesha, das Paradies vorgestellt haben. Panjim, die Hauptstadt dieses portugiesisch-indischen Doppel, strahlt den fröhlichen Reiz südeuropäischer Tropen inmitten Asiens aus.

Panjim ist eine betriebsame Gegend. Barocke indische Damen flanieren über tropische Boulevards, leicht bekleidete Europäer tummeln sich am Strand und auch die Bettler gehen entspannter als anderswo ihrem Tagewerk nach. Doch die Sonne Westindiens schönt manch bittere Tatsache.

Ich steige im Hotel Neptune, das Doppelzimmer zu 40 Rupien, ab. Der Hotelboy führt mich rasch in die Gepflogenheiten auf Goa ein. Es herrsche spürbarer Wassermangel, und im Neptune fließe das kostbare Naß nur morgens zwischen 6 und 8 Uhr sowie des abends von 7 bis 8. Und auch mit dem Generator ist es nicht weithin. Ich schreibe bei Kerzenlicht. Stromausfall. Kein Wasser. Kein Essen.

India Today, das Nachrichtenmagazin, meint, das abgelaufende Jahr könne man getrost vergessen. Die Politik sei ein Chaos. Rajiv Gandhi als Thronanwärter umstritten, Kerala zwischen der kommunistischen CPI und der Kongresspartei taumelnd, die Konservativen heillos zerstritten und zerfallen in Janata, Lok Dal und Congress S.

Beim Chinesen in der June Road wird ein ganz passables Chop Suey aufgetischt. Bahji, kleine Kartoffeln mit geschärfter Sauce, wird zu meinem neuen Leibgericht in den vegetarischen Kneipen. Dazu trinke ich eine Cola-ähnliche Brause undefinierbaren Ursprungs und Geschmacks. Coca Cola darf seit 1974 in Indien nicht mehr vertrieben werden. Das Gleiche gilt für Autos, Elektrogeräte oder andere westliche Verbrauchsgüter. Ein Relikt der kruden Subsistenzwirtschaft der Gandhi-Partei. Ohne Beschränkungen eingeführt werden dürfen nur Medikamente und Waffen.

Seit die Hippies Goa entdeckt haben, ist die paradiesische Ruhe dahin. Die Hippies haben die Preise kaputt gemacht, sie verbrauchen zu viel Strom und Wasser, verschmutzen die Strände, den Einheimischen wird alles zu viel und zu teuer. Im englischsprachigen Lokalblatt The Navhind Times beschwert sich ein Herr Fernandes mittels Leserbrief über die Hippy menance über die Hippies, die Herrn Fernandes schönen Landstrich mit ihren Drogen, nächtlichen Parties und mit ihren blanken Busen nur so verschandeln würden.

Und an den Wochenenden machen sich Heerscharen indischer Männer von weithin auf den Weg nach Goa, um zu beobachten, was hier Unglaubliches an den Stränden zu sehen ist: halbnackte oder auch ganze Nackedeis, Männlein wie Weiblein, die sich am Strand tummeln und ihre Parties und sonstwas laut zu feiern wissen.

Und wenn man dann die Inder mit großen Augen hinter den Büschen sieht, dann wird einem klar. Dieses schöne Goa zahlt einen hohen Preis, einen verdammt hohen Preis für sein Paradies.

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