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Reisen & Begegnungen

Wo die Luft der Freiheit weht

Fern der Heimat erwartet mich an der Stanford University im kalifornischen Palo Alto eine faustdicke Überraschung. Die Leland Stanford Junior University, so ihr voller Name, führt ein deutsches Motto in ihrem Siegel. Die Luft der Freiheit weht, dieser Satz auf Deutsch steht deutlich über dem hohen Nadelbaum, der Palo Alto auch den Namen gibt.

Ist das schön! Die Luft der Freiheit weht geht zurück auf einen Ausspruch des Humanisten Ulrich von Hutten, der im 16. Jahrhundert ein Weggefährte des Erasmus von Rotterdam war. David Starr Jordan, der erste Präsident der Stanford Universität hat ihren Gründer, den Unternehmer und Politiker Leland Stanford, von dem Motto bereits kurz nach Gründung 1891 überzeugt.

Auch wenn die Übersetzung aus dem Lateinischen aus heutiger Sicht vielleicht mit Der Wind der Freiheit weht etwas gefälliger hätte ausfallen dürfen, so bleibt Die Luft der Freiheit weht doch ein betörender Wahlspruch.

Dass eine amerikanische Eliteuniversität ihn nutzt, adelt den deutschen Humanismus. Es zeigt, welchen Einfluß das Geistesleben Deutschlands und Preußens bei der Gründung der amerikanischen Hochschulen gehabt hat. Und es führt uns auch vor Augen, wie weit die Amerikaner uns in puncto Spitzenbildung heute abgehängt haben.

Die Luft der Freiheit weht. Ein deutscher Student würde wohl gelangweilt mit der Schulter zucken, für einen Stanford-Studenten jedoch ist dieses Motto gelebte Wirklichkeit. Dem Motto wohnt eine Verpflichtung inne. Es bedeutet Unabhängigkeit und Toleranz, es bürgt für die Freiheit von Lehre und Forschung, es meint, dass kein Ministerium in Curriculum und Berufungen hineinquatscht und es drückt aus, dass keine finanzielle Gängelung durch öffentliche Hände stattfindet.

Die Lehrveranstaltungen in Palo Alto spiegeln diesen freien Geist wider. In den Hörsälen und auf dem Campus werden Freiheit und Respekt vorgelebt. Eine Autonomie, aus der, wenn sie mit hoher Bildung zusammen kommt, eine ungeheure Kreativität erwächst. William Hewlett und David Packard, beide Stanfordianer, bringen in einer Holzgarage downtown ihre Computer-Firma Hewlett-Packard ins Leben. Die Kommilitonen David Filo und Jerry Yang gründen Yahoo. Larry Page und Sergey Brin entwickeln auf dem Campus die Suchmaschine Google und damit einen Weltkonzern. Andreas von Bechtolsheim begründet die Netzwerkfirma SUN, was vordergründig Sonne heißt, eigentlich aber auf die Abkürzung von Stanford University Network zurückgeht.

Ohne die Stanford Universität wäre das Silicon Valley nicht vorstellbar, sie ist Hirn – und wohl auch Herz – der kalifornischen Computer-Industrie. Die Stanford University zeigt, was alles möglich ist, wenn Freiheit regiert. Kreativität, Innovation, Erfolg. Wenn die Luft der Freiheit weht.

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Die ewige Bodeguita

Photo by W. Stock

Havanna, im April 1983

Wir bestellen Mojito. Der Barmann füllt uns das Rumglas zur Hälfte mit Carta Blanca, presst eine halbe Limone aus, steckt ins Glas einen frischen Pfefferminzstängel, die yerba buena, dazu Eiswürfel und schießt dann noch etwas Soda hinzu.

Links hinter der Kathedrale in der schmalen Seitengasse Calle Empedrado hinter der Nummer 206 liegt ganz unscheinbar und äußerlich verfallen die Bodeguita del Medio. Vorne der kleine quadratische Barraum mit der dunklen Theke. Dahinter das leicht schmuddelige, weißverputzte andalusische Speisegewölbe, wo an meist überfüllten Tischen das Beste der einfachen kubanischen Küche angeboten wird.

Gerichte, die so poetische Namen wie Moros y cristianos tragen, was übersetzt soviel wie Mauren und Christen heißt und auf dem Teller wie schwarze Bohnen mit weißem Reis daher kommt.

Angel Martínez eröffnet die Bodeguita 1942 und da sie inmitten eines langen Häuserzugs liegt und ihm kein gescheiter Name einfällt, nennt er sie kurzerhand Kneipe in der Mitte. Innen verzieren Hunderte von Namen bekritzelte Wände. Wahre Prominenz verewigt sich in eingerahmten Signaturen und Poemen. Julio Cortázar dichtet einen hübschen Vers und Mister Errol Flynn dankt. Auch der Tramp Charlie Chaplin schaut vorbei und der blonde Engel Marlene Dietrich lässt sein samtenes Haar wehen. Nat Cole, der Sänger, zeichnet mit King. Es ist Sommer in Havanna.

Castro, Havanna, Mojito. Der revolutionäre Dreiklang für Romantiker. Für den vor zehn Jahren bei einem Putsch ums Leben gekommenen chilenischen Präsidenten Salvador Allende wird noch immer ein Tisch freigehalten, so als ob der kleine schnauzbärtige Chilene mit der dicken Hornbrille just am heutigen Abend in die Bodeguita hineinschlendern würde.

Photo by W. Stock

Unter dünnem braunen Glasrahmen, direkt über dem Schanktisch, umgeben von Martini– und Cinzano-Flaschen, hängt ein Satz, den man langsam herunter beten muss und der noch lange im Ohr bleibt. My mojito in La Bodeguita, My daiquiri in El Floridita. Darunter dann, beschwingt, die Unterschrift: Ernest Hemingway.

Ja, so kann nur einer schreiben, so schreibt nur El gran Maestro himself. Diese Poesie kann nur der Feder Ernest Hemingways entstammen. Solch eine wuchtige Ansage – so einfach, so präzise, so wahr.

Noch einen Mojito. Ich hole mir beim Barkeeper eine Fonseca und zünde sie an. Die Zigarre schmeckt hart und streng, die Fonseca aus der Bodeguita ist offenbar zu jung gerollt und zu kurz gelagert worden. Von ihren großen Havanna-Marken wie die Montecristo, eine Romeo y Julieta oder eine Quintero können die Kubaner nur träumen, es gibt sie nicht im freien Verkauf, die Edelmarken gehen allesamt in den Export.

Tabak und Rum tun so langsam ihren Dienst. La Bodeguita del Medio. Die unsterbliche La B del M. Wer in der Bodeguita trinkt, der spürt den Hauch des Ewigen. Bodeguita, du bleibst, ich gehe!, schrieb der kubanische Autor Leandro García an die weiße Wand. Du bleibst, ich gehe.

Als wir nach vielen Mojitos die B del M verlassen, scheint aller Trübsinn des Daseins wie weggeblasen und die Welt leuchtet warm und farbenfroh. Der eisige Winter war weit weg.

Bitte besuchen Sie zum Thema Ernest Hemingway mein neues Blog Hemingways Welt.

siehe auch: Hemingway trinkt sechs oder acht Daiquirís in El Floridita

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André Kostolany: Bonvivant und wacher Kopf

Der Autor und der Cheflektor. André Kostolany und Wolfgang Stock. Düsseldorf, im Mai 1991; Photo by Hasso von Bülow

Die ganze Börse hängt nur davon ab, ob es mehr Aktien gibt als Idioten oder mehr Idioten als Aktien.

Dieser Satz stammt von André Kostolany, dem Aristoteles der Börse, an den es zu erinnern gilt, und der hier vermisst wird.

Geld wird an der Börse nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Hintern verdient.

Noch so eine spritzige und wahre Sentenz des Altmeisters, der die Weisheiten zur Aktienwelt formulieren konnte wie kein anderer. Wir vermissen seinen Esprit, seine Klugheit und seine Liebenswürdigkeit. Und wir vermissen, ihn, den Menschen.

Er stürmte, frisch und voller Tatendrang, in mein Büro des ECON Verlages mit den Worten, ich komme gerade aus Paris und heute Nachmittag fliege ich nach München. Wir haben also nicht viel Zeit, Doktor Stock. In solchen Momenten dachte ich, der Mann sei unsterblich.

Da ich südlich von Bonn wohnte, hatte ich nach getaner Arbeit oft das Vergnügen, André Kostolany von Düsseldorf nach Köln zu fahren, wo er immer im Excelsior Grandhotel Ernst am Dom zu übernachten pflegte.

Kosto, damals schon gut in den Achtzigern, war ein wacher Kopf. Allerdings nur bis zum Leverkusener Kreuz. Dann nickte er sachte weg und wachte erst wieder auf, wenn ich vor dem Hotel Ernst auf die Bremse trat.

Die halbe Stunde jedoch von der Kaiserswerther Strasse in Düsseldorf bis zum Leverkusener Kreuz gehörte der amüsanten Konversation und da zeigte sich der Börsenphilosoph als ein ganz ausgeschlafener und schlagfertiger Gesprächspartner.

Bei einer dieser Fahrten, es war Frühjahr 1989, sprachen wir über den Fall des Eisernen Vorhangs. Gerade hatte der ungarische Außenminister Gyula Horn Teile des Grenzzaunes zwischen Ungarn und Österreich eigenhändig eingerissen und die Freiheitsbewegung im Osten war dabei, dem Kommunismus per Abstimmung mit den Füssen den Rücken zu kehren. Aufbruchstimmung in der DDR, in Polen, in Ungarn und ganz Osteuropa.

Und da fragte ich den gebürtigen Ungar: “Sagen Sie, was ist für Ungarn der kürzeste Weg zur Freiheit?”

Kosto überlegte einen Augenblick und antwortete dann trocken: “Der kürzeste Weg für die Ungarn in die Freiheit ist die Autobahn von Budapest nach Wien.”

Fünf Minuten später war er eingeschlafen.

siehe auch André Kostolany: Enjoy Life!

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Der General lebt

Auszug aus Wolfgang Stock Schneefall in den Tropen:

Wer die lange, breite baumgesäumte Allee von Ezeiza-Flughafen ins Stadtzentrum entlang fährt, der sieht an den grauen Mauern der Fabriken und Häuser recht seltsame Parolen gepinselt. In den allermeisten Metropolen dieses Kontinents findet man mehr oder weniger geistreiche Losungen wie Nieder mit den Bonzen oder Hoch lebe die Partei der Arbeiterklasse oder zumindest Wählt MüllerMeierSchulze.

Nicht so in dieser Stadt. Wer sich in den tristen Vororten von Buenos Aires bewegt, der kriegt höchst merkwürdige Sätze zu lesen. Mi General, tu pueblo cumple steht auf den langen Wänden der verfallenden Industrieanlagen, Mein Gereral, dein Volk hält, was es Dir versprochen hat. Oder man kann auf verwitterten Wohnblöcken lesen Siempre contigo, was auf Deutsch denn – fast religiös – meint: Immer mit Dir.

Von diesem General, der dort so hymnisch verehrt wird, erhält man, sollte man Menschen auf der Strasse befragen, höchst widersprüchliche Einschätzungen. Für die einen war er ein Politiker, der viel für das Volk getan hat, einer der für die Blüte dieses Landes gesorgt hat, jemand, dem auch die Armen, die Descamisados – die Hemdlosen – nicht einerlei waren. Für andere bleibt jener Juan Domingo Perón ein ausgekochter Schuft, ein gewissenloser Lump, ein aufgeblasener Operetten-Duce bestenfalls, in jedem Fall ein größenwahnsinniger Parvenue, der dieses herrliche Land in Grund und Boden gewirtschaftet hat.

Alleine schon der Name von Peróns Partei mutet höchst kurios an. Partido Justicialista nennt sie sich, was flott übersetzt Gerechtigkeitspartei heißen kann, manche sagen – nach europäischem Maßstab wohl Richtung aufrechte Sozialdemokraten. Andere meinen, die PJ sei eine typische Klientel-Partei, geführt von sonderbaren Pampa-Caudillos wie Perón oder Carlos Saúl Menem. Wie dem auch sei, sollte es einmal eine Trophäe für den blumigsten Parteinamen Lateinamerikas geben, die Partido Justicialista würde einen hübschen Silberpokal gewinnen – knapp geschlagen von der mexikanischen PRI, der Partei der Institutionalisierten Revolution.

Es gibt wohl keinen Politiker seiner Generation in Amerika, der von seinem Volk noch so verehrt wird wie dieser General Juan Domingo Perón. Nicht Lázaro Cárdenas in Mexiko, nicht Trujillo in der Dominikanischen Republik und auch nicht Franklin Delano Roosevelt in den USA.

Als Perón 1946 zum Präsidenten Argentiniens gewählt wird, regiert er eines der reichsten Länder des Erdballs. Während Europa im Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs versinkt, verhelfen Argentinien eine fruchtbare Landwirtschaft und eine fleißige Arbeiterschaft zu nie gekanntem Wohlstand. Denn dieses sonnige Land besitzt alles in Hülle und Fülle: Getreidefelder, soweit das Auge blicken kann, Fischfanggründe im Südatlantik, Zitrusfrüchte im Norden, Erdöl und Mineralien, und vor allem jenes unerschöpfliche Fleischreservoir, für das die ausgedehnten Rinderfarmen im Süden des Landes sorgen.

Doch bei seiner Wiederwahl 1952 hat General Perón durch Enteignung und Verstaatlichung das Land bereits an den wirtschaftlichen Abgrund gedrückt. Statt eines florierenden wirtschaftlichen Wettbewerbs wächst nun die nach Pfründen trachtende Bürokratie, eine Hydra der Korruption, aus deren Fängen sich Argentinien nicht mehr hat befreien können – bis heute. Ein Militärputsch treibt den gescheiterten General 1955 ins Exil. Doch die Erinnerung an die guten Tage der Herrschaft Peróns bleibt bei vielen Argentiniern während der nun folgenden, fast 30 Jahre währenden, blutigen Militärdiktatur wach.

Als Perón 1973 aus seinem Madrider Exil im Triumphzug nach Buenos Aires einzieht, da wird er noch einmal als Heilsbringer gefeiert, obwohl der 78-Jährige da schon nicht mehr seine fünf Sinne beisammen hat. Aber sein Statthalter als Präsident, der sympathische Kinderarzt Hector Cámpora tritt zurück, damit für den greisen General der Weg frei ist. Perón wird mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Mochten auch die Tatsachen noch so gegen diesen Mann sprechen, das Volk liegt ihm abermals zu Füssen.

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Teddy Stauffer: Der Swing-König im Paradies

Teddy Stauffer
Teddy Stauffer, im November 1982, in Acapulco, am mexikanischen Pazifik. Foto: W. Stock

Acapulco, im November 1982

Stauffer, Teddy 41161, steht im Telefonbuch von Acapulco, Av. Villa Vera S/N. Dieses S/N Sin Número – ohne Hausnummer – in der Avenida Villa Vera mag in Mexiko zweierlei bedeuten. Zum einen kann sich die Adresse in einer solch elenden Gegend befinden, dass die Stadtverwaltung bislang nicht von ihr Notiz nehmen mochte. Zum anderen freilich kann das Stadtviertel so fein und exklusiv sein, dass man den Prachtvillen eine profane Hausnummer nur ungern zumuten mag. „Kommen Sie morgen um zehn!“, lässt uns freundlich eine Männerstimme am Telefon in schweizerspanischem Tonfall wissen.

Wenn Teddy Stauffer Besuch empfängt, so lässt er eine schmale, zwei Meter lange Zugbrücke aus Holz herunter, die seinen Wohnturm von der Strasse trennt. Die Villa Vera ist oberhalb des Stadtzentrums in den Hang gebaut und gilt mit seinem luxuriösen Swimmingpool und dem Racquet Club als die mondäne Luxusherberge der Stadt. Von Teddys Hotelturm aus erhält man einen atemberaubenden Blick auf die Bucht von Icacos und den kilometerlangen Strand, der wie eine Sichel den mexikanischen Badeort umläuft. In etwa so, denke ich bei mir, muss der liebe Gott sich das Paradies vorgestellt haben. 

Ins Paradies vertrieben, aus Nazi-Deutschland. In den späten 30ern ist der Schweizer Teddy Stauffer der Swing-König von Berlin, gefeiert und bejubelt. Die Stadt ist in jenen Jahren die europäische Metropole schlechthin, ein Schmelztiegel, in dem Künstler und Halbkünstler, Seidene und Halbseidene das turbulente Leben bei Tag und insbesondere bei Nacht bestimmten. Innerhalb von fünf Jahren können sich die Teddies in der Berliner Szene einen beachtlichen Ruf erwerben und man sieht sich in der Lage, die kleine Swing-Band nach und nach durch junge, talentierte Musiker zum Orchester zu erweitern. 

Nach braunen Schikanen und Kriegsausbruch, längst wieder in Bern, packt Teddy Stauffer im Jahr 1941 seinen Koffer, lässt die Heimat, auch Band und Musik hinter sich, und fährt mit dem Dampfer über den Atlantik nach New York. Dann nach Hollywood, er versucht sich als Filmkomponist, und nach abenteuerlichen Wirrungen und Fügungen wird der hochgewachsene Schweizer viele Monate später in Mexiko, in Acapulco, stranden.

Neben dem früheren Staatspräsidenten Miguel Alemán, dessen Einsatz Ende der 40er Jahre die touristische Erschließung Acapulcos voranbringt, hat Teddy Stauffer am meisten dafür getan, dass heute alle Welt diese Stadt am Pazifik kennt. Folgerichtig bezeichnen ihn die Amerikaner als Mister Acapulco, während er von den Einheimischen liebevoll Señor Teddy genannt wird.

Und Teddy Stauffer sorgt dafür, dass all die Leinwandgrößen, Troubadoure und dralle Divas hinab ins Acapulco Dorado – ins vergoldete Acapulco – pilgern und froh sind, ohne Schlips und Kragen ins richtige Leben springen zu dürfen. Nach und nach kommt die ganze Hautevolee ins sonnenverwöhnte Aca, wie man das unbekümmerte Seebad bald zu nennen pflegt.

Und der mexikanisierte Schweizer Teddy Stauffer spielt den Gastgeber all dieser Käsegesichter, die sich nun blicken lassen. John Wayne rückt an und kauft gleich ein Haus, die superblonde Kim Novak überstrahlt alles, Tarzan Johnny Weissmuller kommt und sollte bis an sein Lebensende bleiben, Liza Minnelli wird Dauergast und ohne den alten Kumpel Frank Sinatra läuft natürlich gar nichts.

Es wird eben dieser Francis Albert Sinatra aus Hoboken/New Jersey sein, dem im Jahr 1958 das Privileg zufallen wird, die swingende Hymne auf diese Stadt singen zu dürfen. Und dann singt der Crooner so ungestüm wie nie, zugegeben, unter kräftiger Mithilfe der Herren Sammy Cahn, Jimmy Van Heusen und Jack Daniels:

Weather wise it’s such a lovely day
You just say those words, and we’ll beat the birds
Down to Acapulco Bay
It’s perfect for a flying honeymoon – they do say
Come fly with me, we’ll fly, we’ll fly away…

In den letzten Jahren ist ihm, der noch das kleine Fischerdorf von 8.000 Bewohnern kannte, Acapulco ein wenig fremd geworden. Meine wunderschöne Bucht von Acapulco ist verschwunden, meint Teddy Stauffer ein wenig bitter. Statt dessen erblicke er aus seinem Turm am Berghang die wuchtigen Condominiums und Hotelbauten, die den Blick auf das azurblaue Wasser verstellen.

Bei aller Melancholie mag Teddy das süße Leben, die Frauen, die wilde Jazzmusik, er kennt alle Großen der Glitzerwelt, und alle kennen ihn. Der Mann ist ein Träumer, vielleicht ein Traumtänzer, bisweilen möglicherweise gar ein Hallodri. Ein Romantiker jedenfalls, jemand, der die Geige streicheln kann, das Saxophon spielt, jemand, der weiß, wer Jimmie Lunceford ist, und wie man eine Rita Hayworth rumkriegt. Als ob das nicht schon reichen würde.

Ob er denn nicht ab und an Heimweh nach der Schweiz, nach dem ruhigen Bern und dem beschaulichen Murtensee verspüre, frage ich ihn. „Ach, wissen Sie“, antwortet der 73-jährige Musiker, „seit vierzig Jahren laufe ich hier in Acapulco barfuss herum. Ich glaube, an richtige Straßenschuhe könnte ich mich gar nicht mehr gewöhnen.“ Also, wenn das kein überzeugendes Argument ist. Nicht zuletzt aus einem solchen Grund passt Teddy so gut zu Acapulco. Aber wohl auch Acapulco zu Teddy, möchte man rasch hinzufügen.

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Tu felix Bavaria!

Photo by W. Stock

Der Süden Deutschlands boomt. Mehr Wohlstand als sonst wo, eine niedrige Kriminalität, fast Vollbeschäftigung, die besten Schüler, gute Universitäten, Spitzentechnologie, das beste Essen, ein Weltklasse-Fussball. Alles Zufall? So sieht es zumindest die SPD.

Auch für die Medienwirtschaft ist Bayern attraktiv. Nicht Berlin, sondern München ist die Hauptstadt Deutschlands. Droemer, Random House, Burda, Condé Nast, Süddeutsche, Sky, Pro7, Hanser, die wichtigen Literaturagenten – München ist Deutschlands Medien-Hauptstadt. Sapperlot, was ist denn dran an München, aus welchem Grund will halb Deutschland in der Bayern-Metropole arbeiten?

Böse Zungen behaupten, die Tatsache, dass die meisten Verlage in München angesiedelt seien, habe einen einfachen Grund: In München gäbe es das beste Bier der Welt. Das stimmt! München liegt in puncto Pro-Kopf-Verbrauch an Bier in Deutschland an erster Stelle. Ohne Verlagsleute nur auf Platz 7.

Grüss Gott wird in Bayern gerufen, man ist katholisch in diesen Breiten, sicher doch, aber auf eine überaus pragmatische Art und Weise. Je kürzer der Weg vom Gotteshaus in die Bierschänke, desto besser. Im Kloster Andechs hat man beides praktischerweise gleich nebeneinander gebaut. Verweildauer: Fünf Minuten Kirche, zwei Stunden Wirtshaus.

Zweimal haben die Bayern eine Revolution vom Zaune gebrochen: Einmal 1918, als die Räterepublik ausgerufen wurde, die zweite 1996, als Anwohner per Gericht die Biergärten um 20 Uhr schließen lassen wollten. Die erste Revolution scheiterte, die zweite war von Erfolg gekrönt. Die letzte Mass darf – laut bayerischer Biergartenverordnung – um halb 11 nachts ausge­schenkt werden.

Die königlichen Ludwigs – der erste fiel der Hochstaplerin Lola Montez, der zweite dem Schwachsinn anheim – werden noch immer verehrt. Doch auch die Bilanz der republikanischen Ludwig-Nachfolger kann sich sehen lassen. Unter Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber hat sich Bayern von einem rückständigen Agrarstaat direkt ins zukunftsträchtige High-Tech-Zeitalter gebeamt.

Laptop und Lederhose – beides geht für den knorrigen Bayer schon zusammen. Andernorts, gerade im Westen Deutschlands, wird das Lamento über die Gefahren der neuen Technologien angestimmt und noch immer in den Denkmustern der Fabrikschlote gedacht. In Bayern hingegen kämpfen die Förderungsgesellschaften, Cluster-Initiativen, die Ministerien und jeder Bürgermeister um die Ansiedlung junger High-Tech-Firmen.

Trotz dieser modernen Infrastruktur ist der Bayer im Grunde seines Herzens ein Naturbursch mit rüder Herzlichkeit und mit der Gewitztheit eines Almbauern geblieben. Diese sympathische Symbiose aus Modernität und Bodenständigkeit macht wohl die Attraktivität Bayerns aus.

Wen Gott liebt, den lässt er fallen in dieses Land, so Ludwig Ganghofer über das Berchtesgadener Land. Man möchte anfügen, dies möge auch für München und gleich für ganz Bayern gelten.

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Im neuen A380

A380 Lufthansa Airport travelMünchen, im November 2007

Der Jungfernflug des nagelneuen Airbus 380 führt nun nach München. Die Maschine stellt sich am Airport vor, und die meisten Besucher kommen aus dem Staunen nicht heraus.

Dieser A380 entwickelt sich zur Erfolgsgeschichte. Am Wochenende erst hat die Fluggesellschaft Emirates aus Dubai den Kauf von weiteren 11 Airbus-Flugzeugen A380 bekanntgegeben.

In der Tat läutet der A380, der größte Passagierjet der Welt, eine neue Dimension des Fliegens ein. Zum ersten Mal besitzt ein Flugzeug ein durchgehendes Ober- und Hauptdeck. Beim bisherigen Primus Boeing 747, dem Jumbo Jet, erstreckte sich das Oberdeck nur über den Buckel im vorderen Drittel.

Die Passagierzahl des A380 kann je nach Konfiguration von First, Business und Economy auf über 850 – plus 20 bis 30 Crewmitglieder – anwachsen. Man steigt nicht nur vorne und hinten ein, sondern getrennt auch an Ober- und Hauptdeck. Wenn man den A380 begeht, dann wandert man wie durch eine kleine Stadt.

Eine Bar in Oberdeck, Arbeitsnischen, Verweilinseln mit chaises longues, bequeme Schlafliegen in der Business Class. Unterhaltungsprogramme sind in die Kopfstützen der jeweiligen Vordersitze eingebaut. Die Farben werden in einem angenehmen, ruhigen Pastell gehalten.

Die eigentliche Herausforderung bei dem A380 bestand darin, das Mehr an Volumen durch Einsparung an Gewicht auszugleichen. Solch eine Länge von 72 Metern, eine Spannweite von knapp 80 Metern und eine Höhe von über 24 Meter konnten nur durch die Verarbeitung neuer Materialien erreicht werden.

Auch eine Reduktion der Betriebskosten ist den Airbus-Ingenieuren gelungen: Um 15 Prozent konnten die Kosten pro Passagier und Flugkilometer gesenkt werden. Manchen Grünen mag erstaunen, wie leise dieser Vierstrahler in der Luft liegt.

Hut ab vor dem vielgescholtenen franko-germanischen Staatsunternehmen Airbus, dem es gelungen ist, den Gesetzen der Schwerkraft eine neue Dimension abzutrotzen. Der A380 ist das Meisterstück menschlicher Ingenieurskunst.

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Top of the Rock

Im Fachmagazin BuchMarkt vom August gefällt mir eine ansprechende Werbung für die neuen In Guides aus dem Kunth Verlag. Als Eye Catcher dient ein Motiv aus New York.

Der Blick hoch droben vom Rockefeller Center mit Blick auf das nördliche Manhattan und das Empire State Building. Wobei das Rockefeller als Aussichtsplattform dem Empire State jederzeit vorzuziehen ist. Bei der Anzeige fällt ins Auge besonders ein silberner Art Deco-Fernstecher, von dem es dort oben ein Dutzend gibt.

Mit dem man sich – unter zur Hilfenahme von 50 Cent – aus 260 Metern Höhe den Central Park und die Upper West Side anschauen kann.

Wieder Zufall so will, ein paar Wochen zuvor war ich just an gleicher Stelle. Übrigens, der Höhenblick von Top of the Rock ist dem des Empire State Buildings vorzuziehen. Es ist auch weniger Rummel hier.

Und wenn man dann oben steht, im 70. Stockwerk über New York, dann mag man sich für einen kurzen Augenblick fühlen as rich as Rockefeller.

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Jason Robards – der gefallene Fitzcarraldo

Claudia Cardinale und Jason Robards am ersten Drehtag von Fitzcarraldo in Iquitos; Photo by R. Pinedo/Collection W. Stock

Iquitos, den 5. Januar 1981

Der große Hollywood-Akteur Jason Robards spielt einen wunderbaren Fitzcarraldo. Heute beginnen in Peru die Dreharbeiten zu Werner Herzogs Dschungelepos Fitzcarraldo. Nur, dieser Robards-Fitzcarraldo wird es nie bis in die Kinos bringen.

Das weiß in diesen Januartagen des Jahres 1981 keiner in Iquitos, manch einer mag es mit viel Phantasie vielleicht erahnen. Denn irgendein Unheil liegt über diesen Dreharbeiten. Die grelle Sonne brennt hart auf die Filmcrew nieder, das Thermometer schlägt bei 42 Grad aus. Im Schatten.

Irgendwie scheint all dies ein großer Irrtum. Da treffen sich zwei Große der Filmgeschichte, hier mitten im Amazonasurwald, aber irgendwie passt alles nicht recht zusammen. Jason Robards, damals 58 Jahre alt, hatte in großartigen Hollywood-Filmen wie Julia oder All the President’s Men mitgespielt, er war das Charaktergesicht eines klugen, amerikanischen Films.

Robards ist ein überaus erfahrener Mime auf Leinwand und Bühne, einer, der schon einiges erlebt hat. Aber dieses Filmprojekt mit Werner Herzog, dem Naturburschen des neuen deutschen Films, will einfach nicht gelingen.

In seinem hellgrauen Leinenanzug und dem weißen Panama-Hut gibt Jason Robards einen prächtigen Fitzcarraldo ab, aber das Klima hier im tiefen Regenwald Perus ist ihm zu heiß, zu schwül. Und überhaupt. Wenn die Kamera abgeschaltet ist, wirkt Robards ausgelaugt, er schwitzt und sieht abgekämpft aus, man merkt, all dies ist ihm zu viel.

Vielleicht wußte der Feingeist aus dem Norden nicht, auf was er sich da einlässt. Jedenfalls scheint er noch nicht im Urwald Perus – und auch nicht bei diesem Filmprojekt – angekommen zu sein. Jeden Morgen verlangt er als Frühstückslektüre die New York Times. Und eines Abends kriegt er einen veritablen Tobsuchtsanfall und schimpft auf alle Welt. Auf Herzog, die Filmleute, auf Peru und insbesondere auf Nancy Reagan, die Frau des US-Präsidenten. All dies erscheint irgendwie deplatziert hier inmitten der sengenden Hitze des Regenwaldes.

Sechs Wochen nach Drehbeginn erkrankt Jason Robards an Amöbenruhr und lässt sich mit dem nächsten Flugzeug in die USA ausfliegen. Sie hören von meinem Rechtsanwalt, ruft er dem verdutzten Herzog nach, der mit halbgedrehtem Film im Dschungel Perus stehen bleibt.

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Hemingway – ein politischer Kopf?

Hemingway war kein politischer Schreiber. In Sachen Politik war er eigentlich ein dummer Kerl. Politik interessierte ihn, den Anti-Intellektuellen, nur am Rande. Er war ein Bauchmensch.

Das hinderte ihn nicht, schnell Position zu beziehen. So im Spanischen Bürgerkrieg, so bei der kubanischen Revolution. Seine Standortbestimmung war jedoch meist intuitiv, emotional oder an Personen geknüpft. Und wehe, wenn man auf der falschen Seite, von Hemingway aus gesehen, stand!

Das bekam beispielsweise John Dos Passos zu spüren. Der Autor des Megaromans Manhattan Transfer hatte 1937 zusammen mit anderen Intellektuellen unter Leitung des holländischen Dokumentarfilmers Joris Ivens den Propagandastreifen The Spanish Earth als Unterstützung für die Republikaner gedreht. Zu dem Film hatte Hemingway den Kommentar geschrieben, den Orson Welles sonor vortrug.

Ein Jahr später legte Dos Passos leichte Sympathien für den aufständischen General Franco an den Tag, weil seiner Meinung nach – und was nicht zu leugnen war – stalinistische Kommunisten auf Republikanerseite die Oberhand gewannen und die verbündeten Anarchisten und Trotzkisten terrorisierten.

Hemingway schrieb seinem alten Freund John Dos Passos einen gesalzenen Brief und stauchte ihn zusammen. John sei oberflächlich, was für einen Schriftsteller ein ziemlicher Vorwurf ist. Die Sache ist, dass Du die Wahrheit nicht in zehn Tagen oder drei Wochen herausfinden kannst, und dieser Krieg ist lange Zeit nicht von den Kommunisten geführt worden. Wenn die Leute eine Artikelserie von Dir lesen, die sechs Monate und länger läuft, merken sie gar nicht, wie kurz Du in Spanien gewesen bist und wie wenig Du gesehen hast.

Auch wenn Hemingway eher unpolitisch daher kam, so besaß er doch seine Grundüberzeugung. Grundwerte, die sich aus seinem Leben und seinem Temperament ableiteten. Sein Verständnis als Schriftsteller beschrieb Hemingway 1935 in einem Brief an Iwan Kaschkin. Jeder versucht einen jetzt mit der Behauptung einzuschüchtern, wenn man nicht Kommunist werde oder einen marxistischen Standpunkt einnehme, wird man keine Freunde haben und allein sein. Ich kann jedoch kein Kommunist werden, weil ich nur an eines glaube: an die Freiheit.

Ein Haudegen wie Hemingway konnte den Freiheitsbegriff politisch nicht abstrahieren. Er ging mit einem solchen Wert eher pragmatisch, träumerisch, ja romantisierend um. Freiheit bedeutete für ihn immer das Gegenteil von Zwang. Hemingway, dem Individualität und Unabhängigkeit wichtig waren, besaß stets eine große Skepsis gegenüber dem Kollektiv. Als erstes würde ich mich um mich selbst kümmern. Dann würde ich meinem Nachbarn helfen. Aber um den Staat kümmere ich mich überhaupt nicht.

Ein Schriftsteller hat laut Hemingway nicht die Aufgabe, einen politischen oder Klassenstandpunkt einzunehmen. Er soll ein Geschehen aufschreiben und nicht erfinden oder fabulieren. Ein guter Autor habe nicht für eine Sache oder für eine politische Zielsetzung  zu schreiben. Ein Autor diene niemandem, nur der Wirklichkeit. Ein echtes Kunstwerk ist von unbeschränkter Dauer, egal, welche politische Meinung darin steckt. Wer genug Talent hat, ist in allen Klassen zu Hause. Er nimmt von ihnen allen und was er gibt, gehört jedem.

Die Arbeit eines Schriftstellers sollte allein dem Anliegen dienen, große Kunst zu schaffen. Ein Autor geht hinaus in die Welt, beobachtet und schreibt auf. Das habe ohne Vorurteil zu erfolgen. Nur zweitklassige Schriftsteller, nur Autoren ohne Talent, seien darauf angewiesen, sich in den Klassenkampf zu begeben.

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